BEYOND THE DAY

May, 2022

 

„Dieses ewige Streben nach Glück und Zufriedenheit! Es sind doch die unbezahlbaren Dinge, die wir wirklich brauchen. Da wäre die Freiheit und natürlich eine Idee, die mich im Innersten begleitet und die sich in meinem Leben manifestiert. Hier und da Patina spürbar? Lasst uns lässig damit umgehen. Bewahren wir uns die Unbeschwertheit und gehen`s  gelassen an..." 

gefunden in Elle Decoration

 

 

Kanada weckt zahlreiche Vorstellungen in mir. Da wären beeindruckende Landschaften, Tiere, menschenleere Urwälder und multikulturelle Großstädte, dazu eisige Winter und heiße Sommer – Kanada, das ist Leonhard Cohen, Bären, Lachse, Hummer und Kajaks. Und wie sehen die Kanadier selbst ihr Land? Sicher müssen auch sie sich den Herausforderungen der modernen Gesellschaft stellen. Oder kann das in den abgelegenen Provinzen nicht noch ein bisschen warten? Dieser zweitgrößte Staat der Erde steht, wie kein anderer als Sinnbild für Freiheit – Verheißungsvoll!

 

 

DER ERSTE TAG

Es ist bewölkt und warm und am Horizont ist schon ein schmales blaues Band zu sehen. Zwei Kanadagänse nehmen ein ausgiebiges, morgendliches Bad im Brook. Das kräftige Schlagen der Flügel ist das einzige Geräusch. Irgendwann ziehen sie vorbei, Richtung Osten. 

Auf unserer Whiteside Road ist richtig was los! Sonntags sind alle unterwegs. Ausflüge, Verwandtschaftsbesuche. Die Stadtverwaltung hat eine breite Schneise für die Überlandleitung geschlagen, die die Straße kilometerlang begleitet und zum Teil vollständig zugewachsen war. Sieht aus, als ob eine Rotte Wildschweine durchgepflügt wâre! Ich rette gerade noch ein Ahornbäumchen vor der Zerstörung und setze es an eine der kahlen Stellen, die durch die Stürme des letzten Winters entstanden sind. Wir laden gleich mal die Batterie von der Kettensäge. Da warten jede Menge Aufgaben!

 

NOON

Ein Achtzylinder Chevrolet rollt in unsere Einfahrt ein. Das wird unser fahrbarer Untersatz für die kommenden Wochen. Das Gefährt wurde von unserem Nachbarn für einen Urlaub mit Freunden für die Fahrt nach Neufundland angeschafft und es wäre gerade übrig. Für einen fairen Mietpreis, versteht sich. Die Stufe um hineinzukommen, muss ich tatsächlich benutzen, obwohl ich groß bin. Falls ich eine Funktion nicht weiß, könnte ich mich per Knopfdruck mit dem Constructor verbinden lassen, was prompt vorgeführt wird: Die fingierte Frage nach dem Reifendruck wird tatsächlich von einer Stimme geprüft - hört sich ganz nach indischem Sprachraum an - und wird für gut befunden.

 

ANPASSUNGEN
Die neuen Kissen sind prall gefüllt mit Gänsefedern. Viel zu voll. Da passt mir das schöne Wetter gerade um dem Abhilfe zu schaffen. 

 

 

SAUERKRAUT MEETS GERMANS

Walter trifft im Supermarkt Leute, die wir kennen und deren Freunde. Auf der Suche nach Apfelmus erkennt er nach genauem Studium nach einer Weile, dass es sich hier um ein Glas Sauerkraut handelt. Ein anderer Kunde spricht ihn an: “Are you German? Are you looking for Sauerkraut? I can show you the Original. Tasts better”. Nach kurzem Austausch, dann: “Do you know Terry? He left our party to pick up two Germans (das sind wir) at the airport Saturday night. I’m one of the group going to Newfoundland.” Beide stimmen überein: Terry hat ein großes Herz!

 

KEIN GOLD IN ST PETERS

Sankt Peters empfängt uns wie immer stimmungsvoll. Hier fühle ich mich immer den frühen Pionieren ganz nah. Kleine, gepflegte Holzhäuschen links und rechts der einzigen Straße, alle mit Veranda und diversen Anbauten.  Kirche, Post Office, Bank of East Cost Credit Union, Hardware Store, Pharmacy, Tim Hortons mit den allseits beliebten Sandwiches, alles da, weitläufig verstreut mit jeweils viel Parkplatz vor dem Haus. Unmöglich, sowie rührend - die dicken, gebündelten Kabel, die die Straße durch den Ort begleiten und gelegentlich in luftiger Höhe die Straße queren. Goldgräberstimmung. Gold gab es hier nie, aber in der Bank habe ich eine wunderschöne Prägung einer kanadischen Silbermünze im Wert von $56 entdeckt. Das überleg’ ich mir!

 

GREENHOUSE

Auf dem Heimweg besorge ich für den Pflanzkübel im Eingangsbereich Lobelien, Begonien und ein Zauberglöckchen. 

Greenhouse- eine ganz wunderbare Gärtnerei. Hier darf es etwas exclusiver sein. Eine ganz aparte Sitzgruppe für den gepflegten Außenbereich für $24.000 - für die betuchte Gesellschaft, die es hier auch gibt. 

 

WIND AUS NORDWEST

Besuch bei Matthias und seinen feierfreudigen Freunden. Das Treffen ist für 16:00 Uhr geplant. “For coffee” - kann auch Bier werden… Heute bleiben wir drinnen. Es ist kalt und stürmisch. Stürmischer Wind aus Nordwest treibt das Wasser in überdimensionalen Bögen in Richtung der vorgelagerten Inseln.

Abends sitzen wir am Kaminfeuer und hören George Harrison "That`s the way it goes".  

 

GARBAGE BOX 

Die Garbage box vor dem Haus muss erneuert werden. Die ist durch und es finden sich bereits nächtliche Besucher ein, die sich über den gedeckten Tisch freuen.

Das Holen der Bretter bei dem heutigen, stürmischen Wind ist durchaus eine Herausforderung auf dem Außengelände von Kent Building Supplies. Überhaupt stürmt es, was das Zeug hält! Die Böen schütteln die Äste, biegen die Stämme. Es braust heftig mit riesigem Getöse/Geraune um plötzlich, fast windstill für den Moment innezuhalten - wie Luft holen vor dem nächsten Ansturm! Irgendwer treibt weiße Wolkenfetzen über den stahlblauen Himmel. 8 Grad.

 

 

 

TAKE THE NEXT JOINT

Wir bekommen Besuch zum Lobster essen. Francis hat die Lobster von dem Fischer gekauft, der die Reusen vor unserem Haus betreut. Sie werden 20 min über einem Gaskocher gedämpft, dann der ganze Topf neben dem Gazebo auf die Schotterfläche ausgeleert und mit dem Gartenschlauch abgespritzt. Dann sollen sie auskühlen. Nun beginnt die hohe Kunst des Brechens, des Zerlegens, des Puhlens und Saugens. “Take the next joint!” lässt uns aufhorchen und meint, nun wäre das nächste Stück dran. Wir greifen beherzt zu. Durchaus ein Kraftakt. “Break it and twist it!” Herzhaftes Lachen gemixt mit schaurigen Geschichten und Weißwein. 

Der übrig gebliebene Schalenberg wird noch heute Abend am Strand ausgelegt, wo die Vögel feinsäuberlich alle Reste raus picken. Dann ab damit, ins Meer geworfen. Der Kreis schließt sich. Zwischendrin wir, mit einem köstlichen Abend.

 

 

BOJE - BUOY

Ein strahlender, warmer Tag beginnt. Das traumhafte Wetter beflügelt uns und scheinbar alle hier. Schon morgens stehen wir am Strand, bestückt mit unseren Beach-Socks und der großen Boje, die den Winter über in der Garage ‚geparkt‘ war. Ein Boot setzt sich mit einem glitzernden Wellensaum von der nächsten Bucht ab und kommt uns im hellen Morgenlicht entgegen. Die Muring unter Wasser ist schnell gefunden und die Boje mühelos befestigt. Verheißungsvoll! Verspricht sie doch warme Sommertage, Südwinde, Sommer, Sonne, Meer und immer wieder eine neue Herausforderung.

 

BRING HIM BACK TO WORK

Wir stehen an der Kellertreppe und versuchen ansatzweise die neubegaute, schwere Abfall-Box nach oben zu heben. Unmöglich! Die muss tatsächlich wieder auseinander gebaut werden und die Einzelteile vor Ort, wo die alte Kiste stand, wieder zusammengeschraubt. Bis das aber auch passt! Der ganze Untergrund muss neu geebnet werden. Die Wasserwaage ist im Einsatz. Ein Brett muss noch nachgekauft werden, einige Schrauben fehlen… Dazwischen kommen sämtliche, uns bekannten Whitesider und biegen für einen kurzen Plausch in unsere Einfahrt. Jeder hält genau auf Höhe der neuen Kiste und gibt durchaus interessierte Kommentare ab. Mal ist es, ob der Lobster geschmeckt hat, dann wieder, wie es hier nun weitergeht. Pech für Walter, der gerade steht, um die Arbeit zu betrachten - ich selbst gehe gerade voll im Verteilen des Schotters auf. An mich gewandt heißt es da: „Bring him back to work!“. Schon witzig, wo Walter doch die ganze Vorarbeit geleistet hat. " Wenn das so weiter geht, fahre ich nach Deutschland in den Urlaub!"

 

MALAGAWATCH - LANDS END

Heute besuchen uns Bekannte aus Köln. Sie sollen im Ferienhaus der Eltern in Malagawatch nach dem Rechten sehen und finden nach drei Jahren Leerstand einiges im Argen. In einem der Schlafzimmer haben sich Mäuse eingenistet. Dazu ein Wasserschaden an der Zimmerdecke. Dann das nicht funktionierende Internet. Und der Rasenmäher gibt keinen Mucks von sich. Der nächste brauchbare Ort ist 1 ½ Auto-Stunden weit weg. Dafür waren die beiden noch recht entspannt, hilfsbereit mit Walters Boot, ideenreich bei der Auffindung meines verloren gegangenen Google-Kontos.

Wir sitzen bei Kaffee und Kuchen. Ein Geräusch von weither – könnte eine kleine Cessna 182 im Anflug sein… Es ist nur der einsetzende Kühlschrank! Wir lachen herzlich über die Fehleinschätzung unserer Gäste. Ein kurzweiliger Tag mit den Beiden.

 

BLACK FLIES UND ÜBLICHES GETIER

Walter hat es bös erwischt! Ein Stich an der Schläfe verursacht zunächst eine Schwellung, dann nach drei Tagen ein geschwollenes Gesicht. Stellenweise wie Sonnenbrand. Die Augen nur noch Schlitze. Da hilft nur noch im Schatten sitzen, Rolling Stones hören, vielleicht ein Stück Kuchen, später die Sportschau. 

Nun heißt es Kühlen. Benadryl, Gold Bond Anti Itch Lotion und Witchhazel aufgetragen und geschluckt, sieht doch gleich viel besser aus.

 

 

GEORGE I.

Zum Dinner mit Francis McEachern und Brenda gibt es was klassisch Deutsches und hier außerordentlich beliebtes: Schnitzel mit Pommes und Salat. Danach Waffeln mit Sahne und Blaubeeren. Kaffee.

Bin nicht sicher, ob ich mich so schnell an unseren hölzernen Mitbewohner gewöhnen kann. Schöne Arbeit, der Adler, einem echten nicht unähnlich. Bis jetzt erschrecke ich jedesmal, wenn ich ihn im Augenwinkel erspähe. Wir taufen ihn GEORGE I. Ein Geschenk von unserem Schreiner Francis McEachern- der Name ist schottisch/gälisch und wird Mäkkäkren gesprochen. Mal was anderes!

 

LENNOX PASSAGE

Unser Sonntagsausflug führt nach Isle Madame. An der Lennox Passage sehen wir schon von weitem das große Adlernest auf einem der Holzpfähle, die die Elektrokabel bündeln. Hier können größere Schiffe durch die enge Passage geschleust werden, indem der Verkehr angehalten wird und und die Brückenteile der Straße hochgeklappt werden. Von all dem Trubel lassen sich die Adler nicht stören. Das einmal gewählte Nest wird immer wieder zum Brüten aufgesucht. 

Wir nehmen die kleine Straße zum gleichnamigen Park. Idyllische Lage. Kleiner Leuchtturm. Picknickplätze unter hohen Bäumen auf besonders gepflegten Rasenflächen. Lieblich. Schöne Verlandungszonen neben freiem Blick auf ausladende, tiefblaue Wasserflächen. 

Die Häuser rausgeputzt, wechseln ab mit großflächigen Wiesen und immer wieder stahlblaue Lagunen dazwischen. Die Häuser mal hellblau-weiß, mal rot-weiß, mal grau-weiß. Immer eine Abfallbox am Straßenrand, eine Postbox. Mal parallel zur Straße, mal irgendwo auf einem Hügel, mal ganz nah am Wasser. Gerade so, als ob sich das Haus selbst den Platz gesucht hätte und die Bewohner es nun mit der Selbstverständlichkeit des Gegebenen bewohnen und pflegen. 

 

PARK PRESCRIPTION

In Kanada verschreiben Ärzte ihren Patienten neuerdings ein Medikament, das nichts kostet und fast gegen jede Erkrankung hilft: Zeit in der Natur. Laut WHO verbringen wir jeden Tag 22 Stunden in geschlossenen Räumen, wo wir doch ehemals zur Outdoor-Spezies gehörten. Das Leben in Wohnungen, in Häusern und Städten ist menschheitsgeschichtlich betrachtet ein brandneuer Trend, an den unsere Körper noch lange nicht gewöhnt sind. Unser Leben ist größtenteils nicht artgerecht… Also, was soll ich sagen? Ich geh` erst mal raus.

 

FATHER'S DAY

Heute Einkauf in Port Hawkesbury. Terrassenstühle, Handwerkskram und nicht zu vergessen, das Highlight für den Mann - einen Holzspalter! Um $150 reduziert. Extra zum Vatertag. Als wir uns die Rasentraktoren verschiedener Firmen ansehen, erschallt ein wohlmeinender Rat aus einem geparkten Auto. “Better buy a John Deere” und verabschiedet sich mit einem Lächeln und einem lässigen Handzeichen aus dem runtergelassenen Fenster. John Deere ist DER Rasentraktor unter den Aufsitz-Rasenpflegemaschinen! Hier geht es zur Sache! Geschweißter Stahlrahmen, Vorderachse aus Gusseisen, Langlebigkeit und leistungsstarker Motor. Für den nächtlichen Einsatz natürlich Scheinwerfer. Kinderleicht zu bedienen! Sitzkomfort! Man kann ihn auch gegen jegliches Unbill versichern… Ich wollte eigentlich nur das Gras kürzen. Wir verschieben die Entscheidung. 

Duncan ist gerade hier zum Rasenmähen. Natürlich kommt hier John Deere zum Einsatz und der Whipper-Snipper für die Ränder. 

 

 

 

HIGHTIDE- LOWTIDE

Das Boot wird ins Wasser gelassen. Im Augenblick herrscht Hightide mit 1,80m extremes Hochwasser. Lowtide, also Ebbe ist bei 0,00m. Liegt am Datum und am Mondstand. Kommt nicht oft vor. Francis steuert mit sicherer Hand den Traktor. Als das Boot im Wasser schwimmt, kann es leicht am Ufer entlang  an der Leine geführt werden. 

Das Schlauchboot angebunden und an einem vorher gelegten Seil hinüber zur Boje gezogen. Da kommt der Ingenieur durch...

 

EIN PLATZ AN DER SONNE

17 Uhr. Wind. 20 Grad. Traumhafte Stimmung. Das Wasser glitzert in der späten Sonne. Ich schneide Zweige zurück und die toten Äste ab, heißen hier DEAD END um die Einfahrt freizuhalten. Das ist ein Drängen und Streben um die besten Plätze an der Sonne! Da wechseln sich Ahornbäume, verschiedene Fichtenarten, Espen, Kiefern, Douglasien mit Hemlocktannen und Sitkafichten, Erlen und vom Laub her eine Art Essigbaum ab. Dazwischen zahlreiche Sträucher, die ich nicht kenne und wilde Rosen, die meiner Meinung noch nie geblüht haben… gibt es das überhaupt?

Weiter hinten sieht es ganz anders aus. Da, wo die Bäume dicht an dicht stehen, sind die Stämme alle gleich dick, jeder strebt nach oben zum Licht und gibt keinen Millimeter preis. Sie merken gar, nicht dass sie sich gegenseitig behindern! Und so hat keiner die Chance, groß und stark zu werden, was essentiell ist, um Wind und Wetter zu trotzen. Das Gerangel in luftiger Höhe lässt wenig Sonne durch und da hat natürlich auch das Kleinzeug am Boden keine Chance.

 

LANDRY BROTHERS RETAIL

Der Dishwasher wird angeschlossen. Die Herren von Home Hardware in Louisdale sind pünktlich. Morgens wollen sie kommen. Obwohl ich seit Tagen eine nette Korrespondenz mit dem Herrn von LandryBrothers führe und ihn auf MEINE email und MEINEN Kontakt hingewiesen habe, werde ich nicht persönlich angesprochen. Das habe ich vor 40 Jahren schon mal in Erlangen erlebt. Da wollte der alte Bindl/Gas, Wasser, Heizung partout den Auftrag nur von Walter entgegennehmen. Na, dann schauen wir mal, was da morgen ankommt!

 

Hey Walter. You will see the guys tomorrow, Thanks Terry

 

A SILENT ONE

Die beiden Monteure machen ihre Sache gut. Der Geschirrspüler ist eingebaut, der Strom wieder eingeschaltet, die Maschine soll zur Probe laufen. Da sagt der eine: „It doesn`t work!" Der andere: „It`s a silent one“! Die Suche nach einem leisen Gerät hat sich also gelohnt! Bosch macht`s!

 

Gestern, ein windstiller Tag, bedeckt, fast unnatürlich nach diesem endlosen Getöse und Geraune! Eine Woche ohne Mücken – ok, vielleicht eine einzige, harmlose, die am Ohr surrt und die sich leicht verscheuchen lässt! Ich musste heute fünf größere Spinnengelege entfernen. So nah am Haus mochte ich mir die Zukunft gar nicht vorstellen! Also, man muss die Naturschon mögen, wenn man hier leben wollte.

Vom Süden her dringt dichter Nebel herauf und hüllt sogar die nahen Bäume in duftiges Weiß. Nichts rührt sich, es ist unglaublich still. So, als wenn die ganze Welt eine Atempause macht!

 

SHARING HOME

Willkommenskultur als Geschäftsmodell. Trendforscher sagen uns voraus, dass wir bald alles teilen werden. Ich gebe zu, dass ich nicht soweit bin. Meine Beziehung zu gewissen Dingen ist so persönlich, dass ich sie lieber ganz für mich allein habe. Teilweise humanisiere ich so manches leblose Möbelstück, weil es so manche Erinnerung in sich trägt. Allerdings bin ich schon viel besser geworden, als zu Kinderzeiten. Ich ertappe mich dabei, den einen oder anderen Gedanken zuzulassen...

 

 

COYOTES

Seltsame Laute kommen über das Big Basin von der gegenüberliegenden Insel MacNamara. Lang gezogener Laut mit einem Überschlag eine Quinte höher. Könnten das vielleicht Elche sein? Meine Nachfrage ergibt: Es sind Kojoten. Sie begegnen der Zivilisation so unbeeindruckt wie kaum ein anderes Tier. Seit über einer Million Jahre sind sie in dem Prärie- und Wüstengebiet zu Hause, das sich von Kanada im Norden bis ins südliche Mexiko erstreckt. Die ebenfalls dort beheimateten Bisons, Wölfe und Bären wurden mit der Kolonialisierung verdrängt oder nahezu ausgerottet. Extrem anpassungsfähig findet man Kojoten mittlerweile auch in den Wäldern, den Bergen und an der Küste – und sogar in den Städten.

Forscher aus Chicago haben beobachtet, dass Kojoten Ansätze zu einem „Verständnis“ der Straßenverkehrsordnung zeigen: Beim Überqueren von Einbahnstraßen schauen sie nur in eine Richtung nach entgegenkommenden Fahrzeugen, bei mehrspurigen Straßen nutzen sie den Mittelstreifen als Zwischenhalt.

In der Mythologie vieler nordamerikanischer Indianerstämme nimmt der Kojote eine zentrale Rolle ein. Wenn ein Kojote ihr Revier betritt, dann kommt er zu Ihnen um ihr Leben auf den Kopf zu stellen. Er kommt als Krafttier um den Betroffenen andere Wege zu zeigen, die bisher nicht gesehen wurden oder selten betreten werden. Durch ihn wird man zum wahren Lebenskünstler, der aus allen Lebenslagen das Beste macht.

 

WIE SPÄT IST ES? ENTSCHLEUNIGUNG IST ANGESAGT!

Aufstehen / Yoga / Frühstück / Arbeiten am Haus / Kaffee an Deck / Sonne, Wind und Wellen genießen / Neue Projekte ausdenken / Die Kolibris kommen zu dritt und streiten sich manchmal mit kreischendem Gezwitscher um die Plätze an der Bar - Es gib Zuckerwasser 1:4 / Möwen haben sich im nahegelegenen Brooke niedergelassen. Später schweben sie aufgereiht wie an einer Perlenschnur übers Haus hinweg / Mittagessen / Nap / Einkauf in Port Hawkesbury / Frisör - bitter nötig! / 6 p.m. Dinner bei Christina. Es gibt Schweizer Rösti. 

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CRAB DAY

Wir sind eingeladen und sitzen im GAZEBO am selbstgebauten Tisch. Es gibt Crab mit Kartoffelsalat, Carprese, grüner Salat, danach Brötchen mit gesalzener Butter. Weiswein. Es gibt reichlich Tipps wie man an das Innere kommt. Nach einiger Übung bekommen wir das ganz gut hin! Francis hat sie frisch vom Fischerboot gekauft und 20 Minuten mit Dampf gegart. Man kann nur das Muskelfleisch der Beine essen. Also braucht es wieder ein Drehen und Brechen. Twist and break it! Natürlich sind die geübten Kanadier schnell fertig. Ich brauche eine Ewigkeit, bis alles zerlegt und rausgefieselt ist.

Die Lobster/Crab Saison dauert von April bis Juni und ist nochmal im Dezember. Außerhalb dieser Zeit bekommt man nur welche, die in Farmen gezüchtet werden oder tiefgefroren.

Auf Neufundland geht die Saison noch länger. Also, ...

 

WELTGEFLÜSTER

Hineinhören in das stumme Weltgeflüster. Die Verbindung zum Universum wagen. Für den Moment – dann muss Holz nachgelegt werden und die lästigen Mücken vertrieben…

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EINMAL IM JAHR

… wird die Kirche St Patrick für den Gottesdienst geöffnet. Alle sind da.

Die Szenerie wirkt wie aus der Zeit gefallen. Sehr persönlich, sehr herzlich, lustig und am Schluss sehr ergreifend wenn alle Golden Rose singen. Fühle mich dann in die Zeit der frühen Pioniere zurückversetzt, die Gemeinschaft schätzend, weil lebensnotwendig… Das Zwiegespräch mit Gott unerlässlich.

Ich werde bei jeder Gelegenheit vorgestellt. Mittlerweile kann ich dann auch schon mit Halbwissen aus historischen Romanen etwas beitragen. Lady McNamara, einer der ganz alten Namen der frühen Besiedelung, ist “amused”. 

 

 

OPEN AIR

Heute Abend Livemusik in Granville Greene in Port Hawkesbury. Rockige Musik, Blues, Squaredance. Natürlich darf die Mundharmonika nicht fehlen, erzählt in rhythmischem Beat vom “Lonesome Man” auf endlosen Straßen. Gäste aus Neufundland, Alberta, Saskatchewan und von Prince Edward Island. Da wäre gerade die Fähre abgebrannt und der Fährdienst wäre erst ab Donnerstag wieder möglich. Somit wären auch die News abgedeckt. Die Band Jeremie Albino/Special Guest John Haines spielt leidenschaftlich. 4 Sologitarren, Schlagzeug. "Are you doing all right?” “Yeah”.

Auf der grünen Wiese darf nicht geraucht werden, Alkohol nur jenseits der Straße, falls selbst mitgebracht. Überhaupt hätte ich gerne ein Bierchen gehabt. Nix da! Hunde sind auch verboten… Wir sollten uns in keinem Fall den Beavertail/Biberschwanz, vom gleichnamigen Kiosk entgehen lassen, Wir sollten nicht sterben, ohne diese kanadische Köstlichkeit probiert zu haben. Das nächste Mal.

“One song for the road” entlässt uns entspannt in den sommerlichen Sonntagabend.

 

Ich befreie den Uferstreifen von Bergen von Unkraut. Die wilden Rosen blühen gerade, die lasse ich stehen. Horseflies, Bremsen, Mücken. Vielleicht sollte ich einen Topf mit Blut aufstellen…

Auf einer kleinen Fläche von ca. 20 Quadratmetern gleich neben dem Drive Way, unserer Einfahrt, wachsen ca. 17 Fichten, unzählige Laubbäumchen, Büsche und Unkraut. Ich will einigen Bäumen mehr Raum geben, dass sie sich entfalten können und dass wir unsere Besucher mit der uns eigenen Ordnung empfangen und nicht nur ungezähmte Wildnis vortäuschen…

Der neue Wipper Snipper kommt zum Einsatz und natürlich die Motorsäge und die Schubkarre! Wir sind voll ausgerüstet. Ist auch nötig. Mit Beginn der Rodung stellt sich heraus, dass doppelt so viele Bäume auf der kleinen Fläche wachsen. Die werden bis auf einzelne gekappt und in die Senke zum Brook hin geschleppt. Landgewinnung! Nach einer Stunde laufen die Akkus der Geräte immer noch, aber meine sind leer. Erst mal ne Kaffeepause!

 

Wir machen einen Ausflug nach Port Hood. Unser Ziel ist West Mabou Beach. Auf unserer Fahrt machen wir wie immer erst mal Pause in einem kleinen Café an der Straße. Die Blätterteigtaschen mit Sahne und Erdbeeren gefüllt sind ein Traum und ich hole uns noch eine Portion! In Port Hood angekommen, müssen wir in den Hardware Store. Obwohl ein winziges Sommer-Urlaubsdomizil gibt es dort ein gut bestücktes Geschäft mit allen wichtigen Dingen, die im und um das Haus und den erweiterten Bereich gebraucht werden. Und das ein bisschen netter, nicht nur die reine Not! Wir packen unsere erstandenen Utensilien ins Auto und ab zum Stand. Sand. Sonne. Weitläufig. Wenig los. Das Wasser warm und klar. Heute in traumhaften Türkisschattierungen!

 

 

COLOUR YOUR LIFE

Heute bringt der Schreiner das Gerüst für die Frontseite. Das Haus braucht dringend einen neuen Anstrich! Farbe und Pinsel gekauft und los geht’s. Ist eigentlich nicht die Höhe, die ich unbedingt im Leben brauche. Aber es ist keiner da, der das macht. Abends sind wir fertig. Fix und fertig! 

 

 

EIN TAG OHNE UHRZEIT – Er wird bestimmt von Sonne, Wolken und Wind, von den Gezeiten und den elementaren Bedürfnissen.

Einkaufen. Segeln. Schwimmen. Die Motorsense hat ihren ersten Einsatz. Im Gebälk des Gazebo ist das Vogelpaar fleißig am Füttern. Die drei Jungen passen schon nicht mehr so recht ins Nest.

 

 

SWIM THE CANAL IN ST PETERS

Heute machen wir es wahr! Das Fest in St Peters findet nach zweijähriger Pause wieder statt. Gut, dass Walter das in der Regionalzeitung THE REPORTER gelesen hat. Vor drei Jahren hat die Schneid nicht ganz gereicht. Doch diesmal bin ich fest entschlossen mitzumachen! Da ergibt es sich dann auch sehr nett, dass ein deutsches Ehepaar neben uns parkt, die bereits an diesem gesellschaftlichen Ereignis teilgenommen haben. Ganz offiziell muss sich angemeldet werden. Eine Band sorgt am gegenüberliegenden Ufer für Unterhaltung. Zwei Gitarren, eine Sängerin. Country and Western, was sonst. Endlich können wir im Schatten des Anmeldezeltes stehen. Die beiden älteren Damen tragen sehr gewissenhaft Name, Adresse, Alter und Startnummer in eine der vielen Listen ein. Wer Fragen hat wird freundlich-mütterlich aufgeklärt… Es dauert ewig! Ein Windstoß wirbelt die Blätter vom Tisch und einer der wertvollen Informationsträger landet im Wasser. Da ist nix zu machen. Dann heißt es den Oberarm freimachen, die Startnummer auf den Oberarm geschrieben. Gut gelauntes, aufgeregtes Stimmengewirr. Man tauscht Erfahrungen aus. Mutmaßungen, Hoffnungen und Zweifel. 

Den Weg zum Start am Bras d’Or Lake bewältigen wir zu Fuß. Wir sind mit die Letzten. Abgesichert von Lifeguards in Kajaks und einem Zodiak schwimmen wir an allen langsamen vorbei. Viele mit Schwimmnudel oder anderen lustigen Schwimmhilfen. Zwei Meerjungfrauen mit ihren schillernden Flossen sind auch dabei. Nach den ersten Schleusentoren staut sich die Schwimmgemeinde und wir ergattern einen Platz auf der Floating Mat. Ein Raunen begleitet das Öffnen der Schleuse und wir werden mit sanftem aber unerbittlichen Sog in den Atlantik gezogen. Der Sandstrand und somit das Ende unserer kleinen Reise ist erreicht. Der Dudlsack empfängt uns in staatsmännischer Manie mit einer schottischen Weise! Melonenstücke für die Schwimmer, Wasser und eine signierte Trinkflasche. Ach ja, und natürlich aus der Liste streichen lassen! Man hat es ja geschafft! 

Mit meinen Mitstreitern verabreden wir uns zum “Bavarian Supper” in zwei Wochen - eine bayerische Veranstaltung mit Abendessen am Loch Lomond. Ach, du je! 

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KAJAKTOUR AM LOWER RIVER INHABITANT

Wir fahren zur Helmuts Lane. Dort können wir bequem ins Kajak steigen. Zuerst mit der Flut 1 Stunde in Richtung Norden und mit beginnender Ebbe wieder zurück. Kraft sparend. Soweit der Plan. 

Nun wählen wir allerdings erstmal versehentlich einen Seitenarm, der genauso ausladend ist, wie  der eigentliche Fluss. Der führt nach kurzer Zeit in flaches Wasser und durch tiefhängende abgestorbene Zweige. Hier geht es nicht weiter. Wir kehren um. 

Ein mildes Lüftchen und eine sanfte Strömung führen uns vorbei an undurchdringlichen Wäldern, vorbei an einzelnen, in den Wald geduckten Häusern. Wir kommen ohne Anstrengung ganz von selbst ans Ziel. Schöne Tour – und ein Hauch von Abenteuer.

 

 

BAVARIAN SUPPER

Eine Stunde Autofahrt bringt uns zum Community Center nach Loch Lomond. Wir nehmen die Whites mit. An langen Spießen werden bereits seit mehreren Stunden die Rollbraten gedreht. Von Hand. Von echten Bayern. Von Fritz aus Neumarkt. Abwechselnd mit der einen Hand am Spieß, in der anderen Hand ein Bier. Blasmusik. Wir sind herzlich willkommen. Bei Moe bekommen wir ein Bier und neben dem Braten gibt’s Kartoffelsalat, dann Brötchen, Butter, mehrere Desserts und Kaffee/Tee. Schon eine Idee, Rollbraten so weit ab vom Schuss!

Ich trage meine hellbeigen stylischen Schuhe. Die stehen im direkten Gegensatz zu den Straßen, die wir befahren. Gravel road, unpaved road - ich suche die Stege zwischen den Schlaglöchern, um uns im Schneckentempo einigermaßen über die Strecke zu bringen. Das Auto zeigt wieder einmal seine Bestimmung. Die Federung exorbitant! Endlose Wälder, überhaupt sind wir eingeschlossen im GRÜN.

Zurück in traumhaft schönem Abendlicht.

 

 

GRILLEN UND CHILLEN

Auf der Packung steht: Zedernholzbretter 2 Stunden in Wasser einweichen, im Grill heiß werden lassen. Lachs drauf. Fertig! Bei mir gehen die Bretter in Flammen auf! Der Lachs war allerdings ein Traum! Dazu Alioli, Weißwein, geröstetes Brot. Am türkisfarbenen Abendhimmel weiße Wolkenfetzen, ruhiges Wasser. Wir sitzen auf dem Deck mit unseren Erlanger Nachbarn. Sie sehen eine mögliche Erweiterung, den Raum nach Westen zu öffnen. Schaffen durch gezielte Handgriffe mehr Weite, die besonders das Glitzern der späten Nachmittagssonne durch die Bäume hervorhebt und nennen das Projekt 'Brook Space'. Ich erkenne die Qualität...

 

MACKEREL FOR THE EAGLE

Heute ergreift mich eine große Sehnsucht nach diesem Land! Es ist einer dieser unbeschreiblich schönen Tage. Das Meer von einem bezaubernden Blau, die Luft klar. Warmer Wind von Süden. Ab und zu ziehen kreischende Möven über den Himmel. Ansonsten Stille.

Ich bin untröstlich, dass ich meine Welt in wenigen Tagen verlassen muss. Ich verpflanze zwei Fichten und stürze mich ansonsten in Arbeit.

Die Adler bekommen zwei Makrelen. Serviert wird auf dem bereit gelegten flachen Stein an der Kante zum Shore. Fehlt nur noch das weiße Tischtuch! Was für ein Platz zum Speisen!

 

FREIHEIT, DIE ICH MEINE

„Wir sind frei, wenn unsere Handlungen aus unserer ganzen Persönlichkeit hervorgehen“. Genau so ist das! 100 Tage habe ich das gelebt und möchte keinen davon missen. Jenseits der Norm, lebendig und authentisch leben, davon bin ich weit entfernt. Und doch spüre ich zumindest gelegentlich die Möglichkeit, das für einen Moment zuzulassen. Wenn das gelingt, fühle ich mich   denn je und im Einklang mit allen Welten.

 

Der Tag beginnt mit dem Ruf des Weißkopfseeadlers. Ich eile an die Terrassentür und schon schwebt er ein, nimmt Platz in der Fichte am Brook. Will sich wohl bedanken für die gestrigen, köstlichen Fischgaben…  Ich komme ganz nah ran, dann breitet er die Flügel aus und fliegt mit wenigen Flügelschlägen auf die gegenüberliegenden Bäume, wo ich nur erahnen kann wo er sich niederlässt. Good bye, my friend.

 

 

 

 

 

 

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