INTO THE WILD

Neue Ufer

3. Juni 2019

"Dann und wann in die Wildnis aufbrechen, ist vielleicht die einzige Möglichkeit unseren Wurzeln Nahrung zu geben, die Verbindung zu unserer heutigen Kultur zu festigen und Verwerfungen vorzubeugen."

Aus dem Buch "Der Strom, der bergauf fließt" von William H. Calvin

 

Wenn man der Werbung folgt, ist die Reise nach Nova Scotia in Kanada wie ein Ausflug zu guten Freunden. Wir würden uns wie zu Hause fühlen, denn Nova Scotia sei bekannt für die Freundlichkeit seiner Bewohner, für seine traumhaften Küsten, idyllischen Seenlandschaften und schmackhaften Meeresfrüchte. Wir sollen die Vielseitigkeit der schönen Provinz an Kanadas Atlantikküste und die zahlreichen Möglichkeiten der Freizeitmöglichkeiten entdecken - Soweit die Werbung für Nova Scotia.

Kein Wort von Bären und Abenteuern, kein Wort von den Ureinwohnern des amerikanischen Kontinents, noch kein Wort über die Besiedlung des Landes, noch nichts über die gewaltigen Flüsse und Seen, noch nichts über die endlosen Wälder... Das alles gilt es zu entdecken.  

 

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Der erste Tag

Mit "Into The Wild" wird es erst mal nichts. Nach unserer ersten Übernachtung in der Nähe des Flughafens und einem plastikreichen Frühstück, allerdings mit ausgezeichneten Waffeln, geht es los. Zunächst nach Truro und von da ab auf dem Transcanada Highway nach Port Hawkesbury. Zu beiden Seiten begleiten uns unendlich scheinende Wälder. Wir lassen einige wenige Gehöfte hinter uns und sind nach 2 Stunden und 15 Minuten in Port Hawkesbury. Hier steuern wir als erstes Sobeys Supermarket an und versorgen uns mit dem Nötigsten. Der Einkaufswagen ist übervoll mit den klassischen nordamerikanischen Erzeugnissen. Brot, Butter, Steaks, Eier, Chips, Cinemon Rolls... natürlich auch Salat und ganz viel Gesundes.

 

Morgens um Sieben

Die Sonne hat bereits den äußersten Fleck unseres Grundstücks erobert. Eine watteweiche Wärme erreicht die Türe zum Deck und lockt nach draussen. Es ist Ebbe und somit kann man vom Meer angespültes Holz, Muscheln oder Steine finden. Ich wiederstrebe dem Drang, die ersten Funde mitzunehmen. Nicht auszudenken, wie die Terasse/das Deck in Kürze aussehen würde!

 

"Noon" ist 12 Uhr. Wie "High Noon"

Wir treffen den früheren Besitzer und klären Steuer, Versicherung, Internetübergabe und und hören die neuesten Meldungen über die Nachbarn, wer wann ein Fest plant und wie das Wetter am Wochenende wird. Nämlich stürmisch und regnerisch.

Wir sind voll beschäftigt, die Systeme zum Laufen zu bringen, z.B. ermöglicht uns eine neue SIM Karte das günstige Telefonieren in Kanada, was meine wohlgehütete Handy-Ipad-Laptop-Ordnung ordentlich durcheinander bringt. Dazwischen Treffen mit Nachbarn, die uns willkommen heißen.

 

 

Von Morgennebeln und einem Adlerhorst

Unbeeindruckt vom kühlen Morgennebel ziehen 9 Kanada-Gänse am nahen Ufer vorbei; leicht zu erkennen am auffallend schwarz-weiß-braunen Gefieder. Gestern waren vier richtig fette weiße Gänse dabei, irgendeinen Leckerbissen in der Bucht zu verspeisen.

Unser mittäglicher Einkauf hatte die Besonderheit, dass die Frage nach Mehl großes Unverständnis hervorgerufen hat – ist wohl wenig nachgefragt, wo es doch alles fertig zu kaufen gibt!

Nachbarn, die uns einen Besuch abstatten, bringen hier immer was mit. Mal  eine Karte mit „We are here for any assistance you might need along…“, mal Muffins, mal eine kanadische Fahne, mal Brot und Salz zum eigenen Heim. Dann bleibt man auch mal ein Stündchen länger zusammen sitzen. Whiskey und Chardonnay aus Nova Scotia, Chips und Nüsse aus USA, Geschichten aus Deutschland…

Wir hören 101.5 THE HAWK, der Rundfunksender aus der Gegend.

Unsere Fahrt nach Adventure Island führt uns am Ende über eine abenteuerlich schmale Brücke. Unbefestigte Straße – hinter uns es staubt ordentlich. Wir sind auf der Suche nach dem Weißkopfseeadlernest, in dem letztes Jahr ein Junges zu sehen war. Leider war es diesmal leer. Eindrucksvoll ist es trotzdem. Der Horst ist, aus der Entfernung geschätzt, mindestens 1,20 m hoch und 1 m breit. Die Horste werden hoch oben in den Bäumen aus dicken Ästen gebaut, die Mulde wird mit Moos und Gras ausgepolstert und werden normalerweise immer wieder angenommen, vielleicht gibt`s im nächsten Jahr wieder Nachwuchs zu besichtigen.

 

Marble Mountain und Baddeck

Unsere Tour führt uns zunächst nach Malagawatch, dann weiter auf der Marble Mountain Road. Der Scenic Drive Way ist in abenteuerlich schlechtem Zustand. Extrem tiefe Schlaglöcher, mal mittig, mal in der Fahrspur. Hier dürfte ich 80 km/h fahren! Das versuche ich nur einmal. Danach habe ich unendlich viel Mitgefühl mit unserem Auto. Wunderschöne Ausblicke über den glitzernden Bras d‘Or Lake mit seinen vielen Inseln. Sollte ich die Farben beschreiben, so wären das in der Ölmalerei Kobaltblau für den Bras d’Or Lake. Ultramarin - der Himmel, die bewaldeten Inseln eine Mischung aus Permanent Grün und Chromoxyd feurig. Klare Farben, klare Luft, leichter Wind. Wir finden eine Möglichkeit, über die MacInnis Lane zum Strand hinunter zu fahren. 3 $ in a Box. Türkisfarbenes Wasser - weißer Sandstrand vom früheren Marmor-Steinbruch. An einer Quelle können wir unsere Trinkwasserflaschen auffüllen. Im naheliegenden kleinen Hafen haben zwei Fischerboote festgemacht. Die Ladung ist längst verarbeitet. Die beiden Männer unterhalten sich in der Nachmittagssonne, heben die Hand zur Begrüßung, als wir vorbeigehen. Keine Eile.

 

 

Bezahlung Cash oder mit Scheck

Für ein akutes Zahnproblem bekommen wir eine Empfehlung. In Hawkesbury die Straße runter zum Canso, das Ziegelhaus. Name? Gerade nicht greifbar. Wir parken am Ziegelhaus. Kein Schild. Man weiß es halt einfach. Wir werden in der Praxis herzlich begrüßt, als ob wir uns schon immer kennen würden. Die Praxisräume sind offen. Smalltalk und gelegentliches Lachen dringen in den Warteraum. Der Fall ist schnell gelöst. Die Verabschiedung ist herzlich, nicht ohne Empfehlung, unsere Nachbarn zu kontaktieren, sie würden sich schon auf uns freuen... Bezahlung Cash oder mit Check. Der Zahnarzt kennt übrigens unser Haus – er würde gelegentlich mit seinem Flugzeug darüber fliegen. Nice Spot.

 

 

Von Möwen und einer Ameise

Ich sitze im Halbschatten der hohen Fichtengruppe und genieße unsere neuen Gartenmöbel. Es ist herrlich warm bei 23 Grad und Südwind. Ein malerisches Bild bietet sich mir. Gerade lässt sich eine Gruppe Möwen auf den steinigen Sandbänken nieder. Ablaufendes Wasser. Das Meer eine funkelnde Fläche. Hier ist wohl der Tisch reichlich gedeckt. Sie fliegen abwechselnd auf und lassen sich an anderer Stelle nieder. Ein Teil erhebt sich kreischend und fliegt flach über dem Wasser die Küste entlang Richtung Osten, einzeln kommen Sie in großer Höhe über mir schwebend zurück. Eine leichte Dünung bringt weiße, schäumende Wellen ans Ufer. Der Himmel - so weit. Eine Waldameise flüchtet von meinem Stuhl. Unglaublich groß, bestimmt 12 mm.

Es gilt einmal mehr, diese wunderbare Erde zu bewahren.

 

 

 

Ein Handwerker und der erste Adler

Constructor Franc kommt vorbei und sieht sich das Deck an. Hier muss Verschiedenes gerichtet werden. Wie alle guten Handwerker, direkt und sehr geerdet. Um 15 Uhr ist die Arbeit beendet mit den Worten: Time for a nap. Zeit für einen Mittagsschlaf. Wir könnten jederzeit sein Werkzeug ausleihen. Walters Idee, die Bettenden abzusägen – für große Gäste, findet er sehr amüsant.

Sein Mitarbeiter zeigt mir den Adler, der im nahegelegenen Geäst sitzt. Bald hebt er ab und schwebt zu den Inseln rüber. Wenn man Momente festhalten könnte...

Ausserdem war heute ein "deer", ähnlich einem großen Reh sozusagen im Vorgarten.

 

 

 

Tee bei Nachbarn

Ich bringe einen Teller zu den Nachbarn zurück. Es wird Tee angeboten. Wir reden über das Wetter - am Wochenende ist Regen angesagt und stürmisches Wetter von Nordwest. Und, wir reden über einen erfolgreichen Fischfang von heute morgen. Die Bucht spiegelglatt. Und wir reden über Rom und Michelangelo. Im Nu ist es 18 Uhr. Hier wird früh zu Abend gegessen.

 

Zeit für Weißtöne

Es regnet und ist mit 14 Grad nicht wirklich kalt. Da kann man schon mit kurzen Hosen und Hemd und festem Schuhwerk rumlaufen. Wir nicht! Später gießt es für eine Stunde ganz ordentlich.

Es regnet. Zeit, sich mit dem Innenanstrich zu beschäftigen. Hier ist es üblich, die Wände mit Latexfarben zu streichen. Seidenmatt, matt, Bad und Küche, Kinderzimmer, Schlafzimmer, Decke, Wände - Living room - Für jeden Zweck ne andere Farbe. Dazu neben unzähligen Farbtönen ca. 50 verschiedene Weißtöne. Ich bin überfordert und nehme Pure White. Das wird nur mit dem Hinweis herausgegeben, das wäre schon SEHR weiß. Hier mag man Farben. Ein Zimmer ist bisher grün, der Flur gelb, Küche blau, Wohnzimmer dunkel-rot-braun. Mal sehen wieviele Regentage es gibt. Während ich streiche, bereitet Walter einen Mittagssnack vor - natürlich nicht ohne Songs von Jonny Cash.

 

Holz für den Ofen

Der Samstag beginnt damit, dass sich Terrance ankündigt und Feuerholz vorbeibringt, damit wir es schön warm haben. Sie selbst hätten heute Morgen auch schon geheizt. Zusätzlich wird die Ölheizung instand gesetzt. Allein der Probelauf lässt mich die Fenster öffnen - in kürzester Zeit ist es hier ultrawarm! Ehrlich gesagt, hatten wir dem Lüftungssystem nicht allzu viel zugetraut. Ist sehr effektiv.

 

Starker Wind aus Nordost

Unser Haus liegt nach Nordosten geschützt hinter den Bäumen, so bekommen wir von dem stürmischen Wetter nur ein eindrucksvolles Brausen mit. Ein umgestürzter Baum soll zerlegt und abtransportiert werden. Heute Nachmittag ist es soweit. Mit großen Gerät wird der Stamm in 3 Meter-Stücke gesägt, entastet und aufgeladen. Weichholz. Drei superschöne, gerade Stücke von 1,50 m habe ich für Caro, Vera und mich zurücklegen lassen. Wood sculpture - Holzskulptur mit der Kettensäge.

 

 

Lobster for supper

Francis bringt zwei Lobster vorbei. Sie hätten eine Familienfeier und für uns auch zwei zubereitet. Sie sehen phantastisch aus! Sie sind vollendet in ihrer Form und gleichen einem Gemälde. Schon unfassbar, was die Natur hervorbringt. Walter meint, sie sind so vollkommen, dass man sie besser leben lassen sollte. Mit Salat und Weißwein ein besonderer Genuss.

 

 

Grundlagen schaffen

Waschmaschine, Trockner, Staubsaugeranlage. Alles muss erst mal gereinigt werden. Walter geht den Sachen bis auf den Grund. Wie so oft, werden technische Geräte ziemlich vernachlässigt. Ich erinnere mich an zwei Motels in Colorado, wo die Kühlschränke erst mal enteist werden mussten, damit die Türen wieder zugingen.

 

Hemlocktannen

Zwei minimalistisch kleine Hemlocktannen haben heute einen schönen Platz am Waldrand, da wo die Fichte gefällt wurde, gefunden. Sie soll 30 Meter hoch werden und 1000 Jahre alt werden. Mal sehen.

Walter ist verzweifelt, weil er kein passendes Werkzeug hat, eigentlich gar keines, bis auf meine kleine Werkzeugtasche aus dem Malstudio-Betrieb. Herrlich, leichte Brise bei 20 Grad. Weiße Wolken - Flut. Soeben hat Walter einen Fuchsschwanz gefunden. Ein Anfang wäre gemacht!

 

Mücken

Über Mücken und all das Viehzeug redet man nicht. Ich schon! Bei verschiedenen Wetterlagen sollte man sich nicht dazu entschließen, abends ungeschützt nochmal vor die Tür zu gehen. Es dauert 10 Minuten, bis sie dich entdeckt haben. Anti Brumm hilft, besser ist Repellent Deep Wood, was allerdings auch für Menschen nicht gut ausgeht. Wer meint, dass er das alles nicht braucht, hat lange was davon. Wir haben DIE Baumharzsalbe gegen Stiche und Verletzungen aller Art dabei, mutet quacksalberisch an, hilft aber.

 

Point Michaud

Wir nutzen den sonnigen Morgen und wollen zum Strand Point Michaud. Nach St. Peters folgen wir den Wäldern hinter den Wäldern noch eine ganze Weile. Der Parkplatz ist schnell gefunden - Es gibt nur den Einen in der Gegend. Anfang Juli bis Ende August bietet hier ein junger Mann in einem Mini-Surf-Hüttchen Surfbretter und - Anzüge an. Da sind wir dabei - als Zuschauer! Informationen zur optimalen Welle unter www.magicseaweed/Point Michaud. Noch haben wir den Strand nahezu allein für uns.

 

 

White

Heute morgen Yoga auf dem Deck. Ich atme ein - Ich atme aus. Sanfte Stille. Die getankte Kraft für den Tag brauche ich auch! Die weiße Farbe soll an die Wand.  Was für eine Schleiferei. Dreimal überstreichen! Ob‘ s reicht?

In Kroatien wird der Urlauber derzeit mit einer Wassertemperatur von 27 Grad verwöhnt. Bei unserer derzeitigen Außentemperatur von 13 Grad sind 14 Grad Wassertemperatur doch auch ganz passabel!

 

 

Weatherforecast 27° and sunny weather

Regnerischer, nebliger Tag. Genau richtig, um in Arichat ein Segelboot zu kaufen. Walter ist gleich begeistert. Ein 2 Mann Segler, gebraucht. Wir haben erst vier Teller, aber das Boot muss sein!

 

Nachbarschaft

Heute starten wir unsere zweite Nachbarschafts-Offensive. Wir schauen bei F. Mackcack, the Constructor vorbei. Die obligatorischen Flasche Wein. Welches Werkzeug wir bräuchten... ? Er erzählt von guten Tagen mit seinem Freund Frank - über 40 Jahre gleich geblieben, obwohl er Chef einer Compagnie war. Er hat auch eine Einladung am 7. Juli zu „a meet and greet afternoon“ von unserer Nachbarin Christina Gulotti bekommen. Sie ist Malerin und will hier dauerhaft leben. „Between Art and Life“. Er fragt, was sie denn malt. Ich sage, abstrakt. Er sagt, was wird das sein? Ich sage, Bilder, die man erklären muss. Er sagt, geht ihr hin? Ich sage, ja. Er sagt, dann kommen wir auch.

 

Emma and Ian

Ein weiteres absolutes Highlight ist der Besuch bei Emma and Ian. Die offene Garage ist ein Hit! Bis unter die Decke vollgestapelt mit allem, was der gemeine Kanadier zum Leben braucht. Für den Truck entsteht gerade ein extra Hüttchen. Mit Holzboden, dann entfällt die Steuer. Erzählungen vom Bootfahren, Angeln, Bäume fällen, Spalten, Heizen, Autos reparieren, Lobster aus Arichat, Barbecueing - und natürlich von den 6 Kindern und 11 Enkelkindern. Das volle Programm! Ein kurzweiliger Besuch. Wir würden mit dem Boot zum Angeln abgeholt werden. Ob wir Makrelen mögen? Die Übrigen könnten wir den Adlern anbieten. Im Geiste packe ich bereits meine Angel ein... Bin gespannt, was er zu meinem Dänemark-erprobten Gerät sagt.

Gegenüber der Kirche wäre ein Adlernest und Richtung Arichat kurz vor der Brücke rechts noch Eines. Und Möbel bekämen wir bei Keltic Furniture, JR Raheya, Kings Road. "Absolutely no chinese work". Es wären schon Wale und Delphine in der Bucht gesehen worden.

 

Neue Schuhe

Als Erstes wird klar: Neues Schuhwerk muss her. Walters Schuhe von Mark’s wurden in seiner Größe bestellt und sind heute angekommen. Passen! Passend für alle Outdoor-Aktivitäten, nebst Regenereignissen und sämtlichen Unbil. Ein Küchenquirl ist ebenso geliefert worden.

 

"Wo die Angst aufhört, beginnt das Leben"

Viktor`s Leitspruch lässt ihn eine Menge bewegen. Selbst der Gabelstapler wurde per Fracht nach Kanada verschifft. Alles ist möglich!

 

Summertime

Nach drei Tagen Regen hat sich plötzlich der Sommer mit satten 27 Grad eingestellt. Schon morgens empfängt uns eine wohlige Wärme und eine weiche Luft. Selbst die Kanadier sehnen den Sommer herbei. Die Motorboote, hergerichtet, warten an Bojen oder in Garagen, die Segelboote stehen parat, die Persenning klappert im Wind. Unseres allerdings erstmal nur auf dem Trockenen, im Garten. Hier fehlt noch Einiges. Schlauchboot, Motor, Life Vests, Schuhe, Boje...

 

Der Komposter wurde geplündert. Da müssen wir was ändern. Würde mich schon interessieren, welcher Gast da nächtens dran ist.

Frank und Britta sind zum Abendessen hier und wir haben eine Menge Spaß mit meinem Angelequipment. Morgen um 8 Uhr geht`s los. Wir angeln und danach wird die Boje im Wasser verankert. Wird ein aufregender Tag.

 

Von elementaren Dingen

Der Tag beginnt mit einer Attacke von kleinen Fliegen. Wir stehen am Steg, Life Vests an, die Angel fest im Griff. Der Kanadier in Komplettausrüstung, mit Stiefeln bis Oberschenkel. Sieht richtig professionell aus. Wir fahren ein paar Meter mit dem Boot raus. Die erste Angel wird eingetaucht und schwups ist ein Fisch dran. Makrelen. Da hat schon der nächste an Walters Angel angebissen. Wir kommen mit den-Fisch-vom-Haken-nehmen gar nicht mehr nach und haben in kürzester Zeit 20 Makrelen gefangen. Die werden gleich vor Ort ausgenommen. Eine blutige Sache. Ehrlich gesagt, ich wußte gar nicht, dass Fische Blut haben. Wir packen die 4 kleineren ein und legen Sie an den Rand unserer Wiese, für die Adler. Die anderen werden zubereitet. "Noon" sollen wir kommen.

In Vorbereitung auf die nächsten Segelereignisse wird eine vorläufige Muring mit einem leeren, weißen Kanister gesetzt.

 

 

 

Neumond

6 Uhr morgens. Wir haben extreme Ebbe und 6 Stunden später höchste Flut. Neumond. Gut, um das Segelboot zu Wasser zu lassen. Noch fehlen wichtige Teile.

Heute geht Walter mit Jack segeln, 4 Stunden, mit Snack. Drei Kraniche frühstücken im Niedrigwasser.

Was für ein Tag. Sonne pur bei 26 Grad. Der Atlantik brandet heute an unser Ufer. Leichter Wellengang. 3er Wind von Süden. Ich streiche die Wände vom Gästezimmer. Zwischendurch Pausen auf der Terrasse. Da kommen die Beiden auch schon vorbeigesegelt! Letztendlich mache ich mehr Pausen, als ich arbeite.

Walter muss nach dieser Tour wieder aufgebaut werden. Das war natürlich ne ganze Menge auf einmal. Die Anforderungen, die Kommandos, das Steuer. Und dann ist da noch Jack, der Engländer.

Jack ist drahtig, fit, gelenkig, kräftig und er weiß, wann und wo die nächste Bö kommt - und er hat überhaupt kein Mückenthema! Und er geht barfuß über all die kantigen Steine, dazu das Kanu gestützt über den Kopf tragend! Der Respekt könnte größer nicht sein.

Das beeindruckt schwer und für den Rest des Tages ist Verarbeiten der Geschehnisse angesagt. Der Rücken schmerzt, die Mückenstiche sind heftigst. Die ganze Manpower um uns herum lässt einen gelegentlich als GREENHORNS dastehen.

Dabei kennen die Kanadier witziger Weise diesen Begriff gar nicht! Wohl keinen Karl May gelesen!?

 

Männer

„Wie sind denn so die kanadischen Männer?“ Ich würde sagen, stark verwurzelt mit dem, was sie tun. Richten sich Zeiten ein, für ihre Leidenschaften. Segeln, Motorboot fahren, Fischen auf Makrele, Krebs, Thunfisch, auch schon mal ein Hai dabei. ER beherrscht den Grill. Adler füttern. ER pflegt den ganzen Fuhrpark mit Traktor, Rasenmäher, Truck= Auto ähnlich einem Panzer. Die Garage voll mit kompletten Werkzeug-Ausrüstungen! Und natürlich Arbeiten im Wald. Das wird als Auszeit von Heim und Herd genannt. Des Weiteren werden Bojen gesetzt, Steinaufschüttungen für das Ufer gewälzt. Man fährt mit dem Wohnmobil, größerer Art auf die Inseln zum Camping an die Strände. Man braucht die Herausforderung. Man hilft gerne und zeigt dabei, was man zu tun imstande ist. Alles ist irgendwie machbar. "Give me a call"/Ruf an, wenn du was brauchst.

Irgendwann werden wir unsere Stärken auch noch ausspielen können... und schlich davon.

 

A table for newcomer

„Für jeden, der hier ankommt, wird ein Tisch angefertigt. Deiner ist fertig und steht in der Garage. Du kannst kommen und ihn abholen“. Beiläufig lässt mir

MacCack diese frohe Botschaft zukommen. Ich wiederhole die Botschaft, ob ich das auch richtig verstanden habe. Man darf gespannt sein, was da auf mich wartet.

 

Crab trap

Ein Fischer hat vor unserer Küste ein Crab Trab gesetzt. Eine Boje mit einem Fangkorb für Krebse oder Lobster. Wir gehen der Sache auf den Grund und tatsächlich sind schon fünf Krebse drin.

Wir holen den reparierten Motor für das Segelboot ab. Bei E. D. auf Ile Madame. Hat er tatsächlich noch eine nagelneue Akku-Kettensäge für mich da. Stihl darf es schon sein! Zweimal benutzt. MSA 200 C. Yeah, die Challenge kann beginnen.

 

Geschichten aus Neufundland

Ein schöner Abend mit dem Bootsverkäufer und Frau und Geschichten über eine Kindheit auf Neufundland. Zurückhaltend. Naturverbunden. Starke Zugehörigkeit zu diesem Land.

 

Sailing

Der Tag beginnt morgens um 9:00 Uhr mit Walters "Hurry Up". Der Traktor steht bereits vor der Tür, um das Boot zu Wasser zu lassen. Meine Befürchtungen, dass das schwierig werden könnte, lösen sich in Luft auf. Gezielt und mit großer Sorgfalt wird das Boot auf den einzig möglichen Weg Richtung Wasser gebracht. Kein Platz für Zögern, kein Platz für Zaudern. Hier wird der Job einfach erledigt. Mit Beachsocks, Shorts und Pullover wate ich im hüfthohen Wasser und führe das Segelboot zur Boje. Ohne Wellen, ohne Wind geht das echt ganz leicht! Walter übernimmt und probiert gleich mal bei wenig Wind die erste Seemeile aus... Endlich trockene Kleidung und aus dem Fenster geschaut, segelt Walter schon in Richtung Westen davon. Das Schlauchboot allerdings wirkt irgendwie heimatlos, wie es so ohne Absicht vor sich hin driftet - auch Richtung Westen. Also nochmal rein in den Atlantik und das Schlauchboot gerettet.

Abends braucht ein Held Abendbrot. Wer ist hier der Held? Jeder will Held sein! Jeder IST Held.

 

 

Von Steinklötzen mit Loch

Mittags kommt eine leichte Brise auf. Das Boot schaukelt heftig in der Brandung. Und da trauen wir kaum unseren Augen. Die Boje ist mitsamt der Muring und dem Boot nach rechts gewandert. Ca. 30 Meter. Und der Wind zerrt weiterhin an der Leine. Die Einkaufsliste muss warten, erstmal umziehen und ab ins Wasser. Und weil es schnell gehen muss, ziehe ich neben der Badekleidung noch ein Shirt und einen Pullover an. Einer hält in dieser stürmischen Zeit das Boot. Der andere fädelt einen weiteren Steinklotz mit Loch in die Muring. In dieser misslichen Lage, die alle Sinne fordert, kommt auch noch Besuch daher. Es ist der Neufundländer und sein Bruder. Sie wollen die vergessene Sonnenbrille abholen. Nun denn, letztendlich haben wir einen netten Plausch. Des Bruders Aufenthalt in Deutschland war eine tolle Zeit, hervorragendes Essen, nette Leute, alles so sauber und alles funktioniert. Sie sind auf dem Weg nach Fortress Louisbourg, der Verwandtschafts-Clan trifft sich dort. Ich dränge Walter dazu, noch einen Anker zu setzen.

 

 

Walter sonntags um Acht

Walter schraubt, säubert, erneuert, klärt... Sonntag erkennt er bei seiner persönlichen „Morgenandacht“ eine gewisse, merkwürdige Sucht, alles in Ordnung zu bringen. Er überlegt, was sich denn dadurch in seinem Leben ändert, wenn der Tisch NICHT mehr wackelt, das Werkzeug NICHT optimiert wird. Es ginge sicher auch so.

Da bin ich jetzt ganz still und hoffe insgeheim, dass dieser Gedanke vorüberzieht, ohne Spuren zu hinterlassen. Es gibt noch viel zu tun!

 

Geräusche

Zuhause haben wir es gerne so ruhig, wie möglich. Der Kühlschrank ist mit 30 dB ein Leiseflüsterer. Die Spülmaschine kaum hörbar, die Waschmaschine säuselt meditativ vor sich hin.

Hier darf es laut sein. Bei Kühlschränken gibt es keine dB - Angaben. Hier zählen Größe und Leistung. Der Quirl könnte auch als Frühwarnsystem durchgehen. Funktioniert allerdings gut. Waschmaschine und Trockner fordern erheiternd unsere Aufmerksamkeit. Irgendwie ist es rührend, wie sie so tapfer ihrer Bestimmung nachgehen.

 

 

St. Patrick’s Church

Die Kirche Sankt Patrick wird 100 Jahre alt. Einer weiß, das wäre ja nicht alt, gegen europäische Kirchen. 1000 Jahre könnten die aufweisen und mehr. Und Gotik und Barock! Die Großväter hätten St. Patrick‘s gebaut und die Namen, unterschrieben auf einer Holzschindel, seien bei Renovierungsarbeiten ans Licht gekommen.

Eine Jubiläumsmesse wird abgehalten. Der Priester geht durch die Reihen und begrüßt die Altvorderern per Handschlag. Hier eine Geste, da ein Wort. Der Gottesdienst beginnt.

Immer, wenn die Aufmerksamkeit abzugleiten droht, weiß der Priester lustige Geschichten einzuflechten. Er spricht von selbstloser Hilfe aller Nachbarn und allen Nächsten gegenüber... Etliche, die wir schon kennen sind in den Ablauf des Gottesdienstes eingebunden. Gitarre, Begleitung, Bariton, Lesung und die Organistin. Aus vollen Kehlen singen wir den Refrain mit. Glory and Halleluja... Hier tauchen die Namen McNamara und MacDonnell auf, die ich bereits aus den Büchern über die frühe Besiedlung Nova Scotias kenne. In dem Infoblatt zur Feier sind nicht nur die Namen der Akteure aufgeführt, sondern auch immer der Stammbaum. „Granddaughter from...“, „Great nice of...“, „Grandson of...“

Danach Einladung zu gemeinsamem Essen und Trinken im Riverdale Community Center. Wie so oft werden wir vorgestellt mit „That’s Inga and Walter. They bought Terry Whites house“. Und immer schließt ein wissendes „Aahh - Nice to meet you - nice spot“ an. Wir fühlen uns aufgehoben.

Nachmittags wird der angekündigte Tisch vorbeigebracht. Ich taufe ihn „ONE MORE STORY“. Weil er was zu erzählen hat. Und weil er den Platz unter dem alten Fensterrahmen vom Farmhaus bekommt, den wir vom Hausherrn geschenkt bekommen haben.

 

 

Lasting Drama

Morgens um 7 Uhr. Ein Schauspiel sucht seines Gleichen. Dichter Nebel lässt keinen Blick auf die gegenüber liegenden Inseln zu. Auch das Boot wird vollständig vom dichten Nebel verschluckt. Die Sonne scheint und beleuchtet den Nebel. Spinnen haben seltsame Netze auf dem Gras gesponnen, wie seidige Dächer, entworfen von Künstlerhand. Der Tau hat sie sichtbar gemacht. 23 Grad. Kein Wind. Absolute Stille. Lasting Drama eben.

 

 

Als das Wünschen noch geholfen hat... so beginnen Märchen.

Die endlich wahr gewordene Motorsäge kommt zu ihrem ersten Einsatz. Ein gigantischer Wurzelstock, überwuchert von Unkraut - hier soll mal ein Holzplatz entstehen - wird als Standort für die kommende Arbeiten an Skulpturen hergerichtet. Die Motorsäge frisst sich butterweich ins Holz der Wurzel. Ich finde, dass ich gerade Großartiges vollbringe und vergesse dabei, dass das Holz schon lange seine einstige Vitalität aufgegeben hat und deshalb alles sehr leicht geht. Während einer kleinen Pause, es ist am Ende doch eine schweißtreibende Arbeit, erinnere ich mich, dass wir in meiner Jugend den einen oder anderen Wurzelstock auf unserem Waldgrundstück entfernen haben lassen. Das hat Iwan, ein russischer Waldarbeiter übernommen - die Zeiten ändern sich. Russen belegen heute die Jachthäfen der Welt und wir müssen die Wurzelstöcke selbst raus machen.

 

 

Crab Day

Unsere Tour mit Freunden führt uns nach Ile Madame. Ein gemeinsames Foto bei "Lands End" hält den Moment fest. So sähe Neufundland aus. Schöne Strände-  vereinzelt Menschen, die einer Tätigkeit nachgehen. Drei. Wir essen Lobster Chowder in Arichat. Sitzen draußen im Halbschatten, natürlich zur Straße raus. Wir nehmen zwei Lobster mit. Ein Stück weiter können wir in einem Lager vier Krabben abholen. Drei große Fischerboote liegen angetäut am Kai. Die schon auf dem Boot fertig verpackten Crabs werden mit kleinen Gabelstaplern in Kühlhäuser gefahren. Kurzer Plausch mit den Arbeitern. Your daily experience. Eine riesige Krabbe schaut mich an. Schwungvoll ab in die mitgebrachte Eisbox. Zuhause angekommen geht's ans Eingemachte. Ich ziehe Müllsäcke als Rock und Shirt über. Die Crabs werden unten am Wasser vorbereitet. Ein wuchtiger Schlag und unser Überleben ist wieder einmal gesichert. Gegessen wird nur das Muskelfleisch in den Beinen und Scheren. In einem riesigen Topf werden die Teile 23 Minuten gedämpft. Die Lobster 5 Minuten länger. Das Ganze findet in der Garage mit einem Propangas-Kocher statt. Ein Nachbar kommt mit seinem Sohn vorbei. Er braucht Frank's Hilfe und seinem Bagger. Bei Erdarbeiten zum Hausbau stünde ein größerer Steinblock im Weg. „One and a half man“, wie Walter sagt. Abends haben wir ein fröhliches gemeinsames Essen.

 

 

Picknick an der Schleuse

Wir machen ein Picknick in St. Peters und stärken uns für unser bevorstehendes Abenteuer. Die große Schleuse wird gerade für zwei Sportboote geschlossen. Hier soll im August das Channel Swimming stattfinden. Unser kleiner Umweg führt nach River Bourgeois, wunderschöne inselreiche Gewässer mit sattgrünen Landstrichen und schönen klassischen Häusern.

 

Wir betreten Indianerland

Das POW WOW in der Nähe von St. Peters beginnt mit der Aufforderung für die Dauer des Einzuges der First Nations nicht zu fotografieren oder zu filmen, da der Einzug Teil einer Zeremonie ist. Wir sitzen unter einem großen Zeltdach. In einem Tipi brennt ein zeremonielles Feuer. Makala, eine der jungen Tänzerinnen ist reich geschmückt mit bunten Bändern. Jeder Schritt wird begleitet mit dem Klang von zig Schellen, die an das Kleid genäht sind. Die Drums und die Gesänge setzen ein und ich bin froh, dass wir nicht gerade im Clinch mit den First Nations sind. Diese hohen, teils gellenden Gesänge erinnern nicht nur an Fürbitten an eine gute Ernte. Tänze für verschiedene Anlässe folgen der Aufforderung an alle Nationen, mit zu tanzen. Ich bin „alle Nationen“ und reihe mich ein in die rhythmischen Trommelklänge - nicht ohne meine Mittänzerin aus Neufundland. Einer ruft "Give me a smile", doch ich bin nur vertieft in die Einhaltung der Schrittfolge zu den verschiedenen Rhythmen. Walter fühlt sich mit den angebotenen Getränken, Süßigkeiten, Ei-Sandwiches und dem Programm ganz als Gast.

Wir fahren heim. Es donnert. Irgendwer schickt an diesem Abend einen Thunderstorm.

 

 

Ceilidh-Music

Wir erleben im Civic Center/Port Hawkesbury Ceilidh-Musik. Muss man erlebt haben. Bei Tee und Old Oakcakes hören wir zum ersten Mal eine sehr markante Musik. Keyboard - MacMorin, Fiddel – Wendy MacIsaac, Dudelsack – Kenneth MacKenzie. Am Schluss wird noch gesteppt. Hier eine ältere Ausgabe, für alle, die mal reinhören und reinsehen wollen.

https://www.youtube.com/watch?v=xx6R0tyYM-M

 

Kajak für Anfänger

Es ist sehr warm, die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Gerade recht, um das neue Kajak auszuprobieren. Ich muss mich für eine Richtung entscheiden. England oder Bahamas. Ich wähle die ufernahe Linie um ein Gefühl für das Timing zu bekommen. Alles ganz easy. Selbst kleine Wellen können mühelos ausgeglichen werden. Der Weg zurück über den Brook/Bach ist ein bisschen abenteuerlich, da ich wegen Low Tide Bodenberührung habe und das Kajak ohne mich besser klarkommt.

 

 

Das wahre Kanada

Wo ist nur das Kanada der undurchdringlichen Wildnis, der einsamen Blockhäuser und klaren Quellwasser? Heute erleben wir das. Mit dem schnellen Motorboot überqueren wir das Wasser und steuern die gegenüberliegenden Inseln an. Hier hat jemand seinen persönlichen Traum von einem erfüllten Leben realisiert. Das Material wurde nur mit Kanu und Kajak dorthin geschafft. Um Netz für sein Handy zu haben, muss man zur Spitze der sandigen Landzunge paddeln. Das Blockhaus, errichtet mit dem dort wachsenden Holz. Mit einfachen Werkzeugen bearbeitet. Hier gibt es alles, was MANN braucht. Bettstatt, Ofen, Licht, ein paar Gläser, ein Topf, ein Tisch und selbstgemachte Stühle. Außen eine Feuerstelle. In der mit Steinen gefassten Quelle lagern zwei Flaschen Bier zur Kühlung. Wir könnten gerne die Hütte besichtigen, sollen uns ins Gästebuch eintragen, damit der Besitzer Bescheid weiß. Mit sicherer Hand steuert Frank durch die Gewässer der Inselwelt und bringt uns zurück zu unserem Brook.

 

 

5 p.m. / 5 Uhr Nachmittags

Das Rauschen des Windes in den Bäumen einfangen, die Lichtreflexe der sanften Brandung festhalten, den Moment bewahren. Das wär’s. Dazu ein Sundowner mit Weißwein und Erdnüssen.

 

Rest der Welt

10 p.m. Die Bestellung im Internet wird abgeschlossen mit dem Hinweis: Lieferung ca. 4-5 Tage nach Europa. 5-10 Tage Rest der Welt. Abgelegene Gebiete können längere Lieferzeiten bedeuten. Mal sehen, Rest der Welt, oder?

 

ADAC

In Zeiten von Navi und Handy haben wir wenig Kartenwerk und selbst Google gibt nicht genau diese Inseln wieder, die Walter mit seinem Segelboot ansteuert. Der ADAC WANDERFÜHRER - wer hätte das vermutet - hat sie alle drauf. Selbst Wanderwege, die an gemeinsamen Abenden mit Nachbarn nur vage beschrieben werden, sind präzise angezeigt! Auf zu den Whiteside Waterfalls!

 

 

Chapel Island

Auf Chapel Island findet heute die Fortsetzung des PowWow statt. Schon die Überfahrt gestaltet sich spannend. Wir fünf, werden mit vielen anderen am Ufer von einem Workboat abgeholt. Ein stattlicher Kran thront in der Mitte des Bootes. Wir überqueren die kurze Strecke zur Insel mühelos und als es beim Anlegen nicht bis zum trockenen Ufer reicht, wird kurzerhand eine ausgehängte Holztüre als Steg benutzt. Danach wird sie wieder ihrer Bestimmung dienen.

Die weiße Kirche wirkt wie aus der Zeit gefallen, herausgeputzt, mitten im Grün, stahlblauer Himmel. Innen eine Taufe, die Türen weit geöffnet, Father Duncen, den wir schon kennen, streicht über Kinderköpfe, schüttelt die Hände, segnet. Später finden die Feierlichkeiten außen statt, auf dem Deck. Wir stellen unsere Campingstühle auf und legen die Decke bereit. Die Herren auf den Stühlen, die Damen auf der Decke davor. Unsere First Nation Gruppe, die vor uns sitzt, macht es genau umgekehrt. Die Dame (älter als wir) sitzt im mitgebrachten Campingstuhl und der Mann lehnt neben ihr im Gras zu ihren Füßen liegend.

 

Der Bischof zieht ein im vollen Ornat, mit Gefolge. Wir stehen auf zum Gebet. Auf den Bänken, nicht zu übersehen, zwei gut ausgestattete Männer. POLICE und ein abgeordneter MOUNTY in auffallend roter Montur. Links daneben eine kleine Schar Kinder in langen weißen Kleidern und Kränzen im Haar. Eine Kommunion. Und dann war da noch ein Häuptling mit Federschmuck im Hintergrund. Als Repräsentant der First Nation und Gegenpart zum Bischof.

 

Die Messe endet mit der Ernennung eines neuen Häuptlings der MicMac Gemeinde, der mit großem Applaus von allen begrüßt wird. Die Prozession zur geschmückten Anhöhe hinauf beginnt. Eine Scene, die an die großen Scenenbilder von Ludwig Thoma erinnert. Anrührend.

 

Wir treten den Rückweg an. Und sind nicht die Einzigen. Der Fahrer des großen Workboats ist noch bei der Prozession. Die kleinen Boote nehmen jeweils 6 Leute auf. Keiner zählt mit. Einer geht noch! Da kommt noch ein Boot angerauscht. Ein Junge am Steuer. 10 bis 12 Jahre alt. Lacht, er wäre der beste Überfahrer, alle sollen mit ihm fahren. Jungen springen vom nahen Steg ins Wasser. Helfende Hände für die ankommenden Boote. Ältere Leute, hier ein Gehstock, da eine unüberwindbare Höhe zum wippenden Ponton. Kleine Kinder. Der Steg ist zum bersten voll, nur noch wenige Zentimeter heben uns aus dem Wasser. Ein Moment des Glücks, einen sicheren Platz im gut gefüllten Boot ergattert zu haben. Wir fünf. Und mehr. Was für ein Tag. Heiß war`s außerdem!

 

 

Swim The Canal

Thunderstorm ist gemeldet und wir wollen eigentlich bei „Swim The Canal“ mitmachen. Die Strecke ist 800 Meter und führt vom Bras D‘Or Lake über eine Schleuse zum Atlantik. Man wird wirklich schwimmend geschleust. Wir überlegen hin und her, wann wir das letzte mal 800 Meter am Stück geschwommen sind und ob wir uns am Rand irgendwo festhalten und ausruhen können? Keiner möchte sein Leben wegen eines Events in St. Peter’s am Rande der Weltmeere aushauchen! „Great fun“, wird uns von zwei Lifeguard-Jungs versichert. Und als wir dann die Ankömmlinge sehen - kleine Kinder mit Schwimmnudeln - kleine Gruppen von bestgelaunten Jugendlichen - eine fitte Oma in freudiger Erwartung des Ereignisses, vom Parkplatz kommend, gekleidet im Schwimmkleidchen im Schwimmreifen - sind unsere letzten Zweifel dahin. Das können wir auch! - Ein Donnerhall und das nahende Wetter macht unserem zögerlich erwachenden Mut ein jähes Ende. Es wird zwar nur ein andauernder Regen, aber wir vertagen das Schwimmereignis auf nächstes Jahr. Ganz bestimmt!

 

Livemusic in Grandville Green

Abends besuchen wir in der Granneville Road Livemusik unter freiem Himmel. Bühne frei für Balladen und später etwas Rockiges. Nice. Hier erleben wir Kanadier. Als es zu regnen beginnt, stellen wir uns unter eine gigantische Kastanie, die den Regen für mindestens 2 Stunden fernhalten wird. Und bekommen sofort von den Leuten dort einen freigemachten Campingstuhl angeboten. Wir bleiben noch. Stimmungsvoll die nahen, tiefdunklen Wolken im Norden, Osten und Süden. Im Westen ein weiter Blick tief in die Welt hinein und ein letzter Hauch von Sonnenuntergang.

 

 

Bras d'Or Lake

In der Marina von St. Peters liegt das flotte Boot mit seinen beiden 300 PS Motoren. Es bringt uns mühelos über die enorme Fläche von 80 km Länge und 30 km Breite des Sees. Die freie Fläche erreicht, wird erst mal Speed gegeben und bei 100 km/h - macht das Boot ganz locker - fliegen wir über den glitzernden See. Jet-Set-Feeling, für einen Moment.

Die Pause kann außergewöhnlicher nicht sein: wir fahren in eine stille Bucht, ein Naturhafen vom Feinsten. Seegras, drei Segelboote ankern weiter drüben. Man genießt die besondere Abendstimmung. Schwimmen. Klares Wasser. Blaue Seesterne. Peaceful.

 

 

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit... sagte einst Karl Valentin.

Carolin, Nico und Andi sind zu Besuch. Caro und ich werfen uns also ins Zeug - die volle Montur- und beginnen unsere Arbeit mit der Kettensäge und den vorbereiteten Stämmen. Nur Andi ist cool, er bleibt barfüßig, weil er schon in frühester Jugend mit der Sägerei zu tun hatte und gar nicht dran denkt, die Kurze gegen Sicherheitshosen einzutauschen! Die ersten Schnitte sind gemacht, die Sitz-Skulptur nimmt Formen an. Caro hält natürlich exakt zwei Schulstunden ein und ist fertig. Ich mache natürlich wieder ewig rum! Macht riesig Spass!

 

 

Waffeln, Erdbeeren und Sahne

Walter und Nico sind gerade vom Angeln zurück. Nico hat zwei Fische gefangen und am Strand ausgenommen. Die Reste gibt er dem Meer zurück. Und da gerade Ebbe ist, muss er eine Weile waten, bis das Wasser eine nennenswerte Tiefe hat. Derweil haben Möwen die beiden vorbereiteten Fische stibitzt! So gehen wir leer aus und müssen uns mit Kartoffeln begnügen. Und dann wären da noch Waffeln, Erdbeeren und Sahne...

 

 

Der Flug der Hummingbirds/Kolibris

Unsere Kolibris sind immer gern gesehene Gäste. Wikipedia weiß Bescheid.

"Mit ihren beweglichen Flügeln können sie mit 40 bis 50 Flügelschlägen pro Sekunde auf der Stelle, seitwärts und sogar rückwärts fliegen.

Bezogen auf ihre Körpergröße sind Kolibris die wohl schnellsten Wirbeltiere der Welt. Geschwindigkeiten von 385 Körperlängen pro Sekunde sind keine Seltenheit.

Das Herz der Kolibris ist im Verhältnis zum Körper sehr groß und schlägt bis zu 500-mal pro Minute, ihre Atemfrequenz liegt bei bis zu 250 Zügen pro Minute.

Da Eingang und Ausgang des Kolibrimagens sehr eng nebeneinander liegen, wird die aufgenommene flüssige Nahrung bei gefülltem Magen gleich vom Eingang in den Ausgang übergeleitet..."

Keiner schreibt von dem unverkennbaren schwirrenden, surrenden, brummenden Anflug der Vögel und keiner beschreibt, dass sie sich auf Wäscheleinen ausruhen und den Kopf nach links und rechts wenden und sich die Gegend ansehen.

 

 

Ab ins Winterquartier

Das Boot braucht ein Wahnsinns-Gedöns, bis es von der Boje zum Trailer, dann mit dem Traktor und dem Trailer aus dem Wasser, dann Mast und Baum abgebaut, dann vom Trailer ins Gras gehoben, dann vom Traktor in die Höhe gehüsert, dann mit dem Kärcher abgesprüht, dann mit Seife und Schwamm geschrubbt, dann beraten drei Männer, was am Besten als nächstes getan werden muss, was unerlässlich ist, was keinesfalls sein darf - Glücklicherweise fällt mir ein, dass ich noch Verschiedenes zu besorgen habe und bin dann mal weg…

 

 

Altbewährtes zu fortgeschrittener Stunde

„Jaah - leck mich doch am Arsch!“ Dies und weiteres kann man vom Hamburger hören, wenn zu fortgeschrittener Stunde der abgebaute Heizkörper partout nicht mehr anzuschrauben ist. Nach 45 Jahren in Bayern wurde bei Arbeiten am Haus das „Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt“ abgelöst!

 

 

ONE MORE STORY

Was noch zu berichten wäre. Vom missglückten Versuch, Plätzchen zu backen. Von der meditativen Arbeit, die abblätternde Farbe vom Deck abzukratzen. Von Blackflies, Horseflies und Moskitos, wogegen die Bremsen noch harmlos in ihrer Wirkung sind. Von kurzen Regengüssen, die die Wasservorräte der Welt auffüllen müssten. Von Betttüchern, in denen ich morgens bewegungsunfähig aufwache, gewickelt wie ein Wrab. Von Menschen, die ihre Freundschaft anbieten. Von Morgenstunden und Sonnenuntergängen, die magisch sind. Wir leeren den Kühlschrank und packen persönliche Sachen in Kisten.

Ich kann euch nur sagen: „Dieses Land macht ganz viel Lust auf Zukunft“.

 

Kontakt

my-artworks.com

 

 

 

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