May, 2021
"Sich nach anderen richten bedeutet Untergang. Wachsen können wir nur, wenn wir uns vom großen Haufen absondern. Haufen nehmen ihre Laster in Schutz. Also gilt es ein Gut zu suchen und zu finden: ohne äußeren Glanz, aber gediegen, ausgeglichen und von großer innerer Schönheit. Soweit liegt es schließlich nicht. Wenn man nur weiß, wohin man greifen muss, so wird es sich schon finden lassen. Ungestörte Ruhe und Unabhängigkeit stellen sich ein, wenn das vertrieben ist, was uns reizt und schreckt. Friedfertigkeit und eine sanfte Hoheit stellen sich ein. Nichts Verkehrtes und Trügerisches, nichts worüber ich straucheln würde. Freiheit. Unzerbrechliche Geistesstärke."
SENECA aus dem Buch „Vom glücklichen Leben"
Welch erhabener Gedanke. Wobei ich zugeben muss, dass ich "den Haufen" auf der Erlanger Bergkirchweih, an einem sonnigen Nachmittag bei Brotzeit und Bier nicht missen möchte. Ebenso "den Haufen" im Hacker-Pschorr-Zelt auf der Münchner Wies`n und bei Turandot in der vollbesetzten Arena von Verona... Nicht zu vergessen die begeisterte Menge beim Rodeo in Pendleton/Oregon.
Habe ‚den Haufen‘ auch schon abgewählt. Bin gespannt auf neue Eindrücke.
eigentlich hat mir die rote Farbe sehr gut gefallen....hatte sowas warmes und gemütliches......und die sofas sind wirklich scheußlich...
wieder sehr schön und anschaulich geschrieben. Die Zeit ist schnell vergangen! Jetzt wünschen wir euch einen guten Heimflug.
HALIFAX
Es ist stockdunkel. Ein GMC Taxi hat uns vom Flughafen nach Halifax Downtown ins Hotel Barrington gebracht. Es war das erste Taxi in der Reihe und mit Abstand das größte. Hätten wir gar nicht gebraucht, wir haben wenig Gepäck. Gut, dass der Wagen eine Stufe und einen Haltegriffe zum Einsteigen hat. Somit ist die Höhe zu bewältigen. Beim Aussteigen empfehle ich, sich leicht vom Sitz rutschen zu lassen. Irgendwann hat man dann wieder festen Boden unter den Füßen.
Halifax - ein wilder Mix aus englisch-angehauchter Metropole um 19. Jahrhundert und Wolkenkratzer-Moderne. Am nächsten Tag gehen wir abends auf ein Bier zum Harbourwalk. Im Pub The Split Crow ist schon jede Menge los. Die Zwei-Mann-Band spielt Thunderwall. Vorbei an zahlreichen Pubs steuern wir Alexander Keith’s Breweries an. Auch Livemusik. Eines der zahlreichen alten Backsteingebäude. Angenehme Wärme auch am Abend, wir können draußen sitzen. Die vor uns liegende Hafeneinfahrt mit den Fähren, Motorbooten und Seglern können wir nur erahnen. Dichter Nebel hüllt jetzt selbst die Laternen ein, die den Harbourwalk beleuchten. Die im Stil der historischen Gaslaternen nachempfundene Beleuchtung verbreitet überall in Downtown warmes Licht. Unwillkürlich ist man in eine längst vergangene Zeit versetzt. In regelmäßigen Abständen ertönen die Nebelhörner der Fähren. Wir trinken unser Bier aus - 18 CAN $.
VON NÜTZLICHEM UND WERTVOLLEM
Seit zwei Jahren sind wir auf der Suche nach einem neuen Sofa für unser Domizil in Whiteside und wollen die besondere Auswahl der Großstadt nutzen. Mit dem Bus Linie 7 fahren wir zu Attica Furniture. Ich zähle die Haltestellen. 25 bis wir die Hausnummer 3065 erreichen. Völlig andere Dimensionen. Auch in der Lieferzeit, die für Februar 2022 festgelegt werden kann. Da kommen wir ins Grübeln.
Unsere Architekten- Nachbarn haben mir von Wabi Sabi erzählt. Vom Ende der Verehrung des Überflüssigem. Bewerten wir die Dinge neu. Könnte sein, dass die Umsetzung lange dauert, aber es könnte es wert sein. Wir haben die Möglichkeit runter zu fahren, sich neu zu orientieren und eine sinnvollere Landschaft zu erschaffen. Nützliches soll von Nutzen sein. Wertloses hat keinen Wert und kann weg bleiben. Wertvolles darf wertvoll erscheinen. (gefunden im Web) Was für ein schöner Gedanke!
ART GALLERY OF NOVA SCOTIA - FIRST NATION ART und RUGS
EIN ERSTER KONTAKT
Nach drei Tagen in Halifax holen wir unseren Leihwagen am Flughafen ab. Ein VW Tiguan war das einzige Auto, was über die amerikanische Firma Wisecars/Budget zu ergattern war. Im Vorfeld tagelang NULL Ergebnis bei der Google-Suche. Das hat es in unserem Leben noch nicht gegeben! In Port Hawkesbury decken wir uns mit dem Nötigsten ein. Mal sehen, ob die Weinvorräte, die zwei Jahre im Wandschrank mit der Aufschrift PRIVATE warten mussten, noch genießbar sind.
Auf’s Meer schauen - Sonne genießen - auf das was hinter uns und was vor uns liegt, anstoßen - absolute Ruhe. Endlich sind wir da. Ein strahlender Tag, weiße Wolken, es ist mild, böiger Wind. Außer dem Zirpen der Grillen im hohen Gras ist nichts zu hören.
Da segelt von Osten kommend ein Weißkopfseeadler über uns hinweg, in einem weiten Bogen über unsere Bucht und wieder zurück um hinter den Baumspitzen im Westen zu verschwinden. Direkt danach folgt ihm ein zweiter. Ein Moment verschwenderischer Schönheit.
COFFEE TABLE
Wir kommen an im Hier und Jetzt. Der Herd braucht intensive Zuwendung! Walter versucht die Fenster zu putzen. Nach der Mittagspause kurze Erfrischung im Meer. Betonung auf Erfrischung! Tagsüber ist es traumhaft warm, nachts 15 Grad. Unser Handwerker kommt vorbei. “For a coffee”. Er hätte gehört, dass wir da sind und schaut sich die schadhafte Stelle am Deck an. Der Stützbalken ist über zwei Meter Länge gebrochen und muss ersetzt werden. Das Deck hat der Schneelast im letzten Winter nicht standgehalten. Er bringt ein weiteres Möbelstück. Ein Coffee table.
Walter richtet den meterhohen Holzbalken mit Hilfe eines Ratschengurts gerade. Der Balken hatte sich über die Jahre geneigt und bot auf jedem Foto einen bedauernswerten Anblick. Nun steht er gerade und da kommt mir der Gedanke, dass das ein Totem werden sollte!
Walter gönnt sich keine Pause. Er fühlt sich abwechselnd als Caretaker und Housekeeper. Alle Lampen in der Einfahrt sind desolat. Mal völlig kaputt, mal nur die “Birne”.
Wir haben immer noch kein Internet, deshalb sitzen wir in White’s Gazebo um unsere Mails zu beantworten. Danach noch ein Gläschen in nachbarschaftlicher Runde.
MURING UND BOIE
Low Tide. Kurz nach dem Frühstück fährt hier schon der Traktor ein. Unser Nachbar bringt einen Betonklotz, der als Fundament für die Boje gedacht ist. Souverän steuert der Traktor zum Strand hinunter, wo das Boot später liegen soll. Bei mittlerer Tide sollen Segelboot und Motorboot dann mit einem Balken verbunden das Gewicht aufnehmen und bei High Tide, also Stunden später ein Stück weiter ins Meer bringen. Dann wird das Seil gekappt! Soweit der Plan. Wäre da nicht der Sturm, der über Nacht aufzieht und erst mal Muring und Boje entzweit.
Ein Besuch beim Causeway Diver Supply, gleich nach dem Canso, das leuchtend türkisfarbene Haus auf der linken Seite, bringt leider nicht den gewünschten Neoprenanzug. Allerdings gab es Beachsocks für Walter. Holztresen. Der gesamte Bestand findet sich auf gelben Handzetteln notiert! Sehr ordentliche, zurückhaltende Beratung von einer älteren Dame. Doppelbrille gegen Sehschwäche und Sonne.
Und dann war da noch der Rope Shop. Seile für`s Boot. Ketten, Schekel, Ösen aller Art und Größen. Alte Werkbänke. Flaschenzüge! Und dann ist noch der Eigentümer aus Neufundland. Kauzig - witzig - unverkennbar. Dazu seine Frau, über und über tätowiert. Ich zahle Cash für Seile und Schekel. Bedeutet 20% weniger. Dafür soll mich Walter mal zum Essen einladen! Allseits erheiternde Zustimmung. Der Hund würde auch deutsch verstehen. Prompt folgt er uns ins Auto!
NATUR PUR
Ich muss definitiv ein neues Verhältnis zu Spinnen aufbauen! Die meterhohen Rhododendren brauchen dringend einen Zuschnitt! Die Fenster nach Norden sollen frei bleiben. So muss ich mich also den meterhohen Netzen stellen. Zwei der ganz fetten Spinnen, sind kugelig und riesig! Haben sich auf die Dachrinne und die Stromleitung zum Haus gerettet. Dort sitzen sie und warten. Ich beschließe, Kontakt mit ihnen aufzunehmen und erzähle ihnen was ich vorhabe, und dass ich der Boss bin und sie warten müssen, bis ich fertig bin. Natürlich in Englisch. Solange ich mit den Zweigen hantiere sind sie brav an ihrem Platz. Trotzdem verrichte ich diese Aufgabe mit leichtem Grausen.
IT`S WINDY
Unsere Nachbarn sagen: Today it’s windy. Ich würde sagen, it’s stormy! Ein flotter Wind düst die Küste entlang. Erstmal rette ich Walter’s Schlauchboot. Wieder mal nicht angebunden! Ist gar nicht einfach. Sobald ich es hochhebe schwebt es für den Moment waagrecht in der Luft. So gehe ich also rückwärts mit dem vor mir schwebenden Boot zur rettenden Garage. (Natürlich kein Foto vorhanden)
BALD EAGLE
Nachmittags ein Schauspiel vor grauem Himmel. Aufgeregt stoßen immer wieder Krähen auf eine bestimmte Stelle am Ufer vorm Haus herab und machen ein Riesen Geschrei! Sicher ist was größeres angeschwemmt worden. Mal nachsehen. Da erhebt sich majestetisch der Weißkopfseeadler direkt vor mir, gefolgt von sechs bis sieben kreischenden Krähen. Sicher musste er sein Mahl aufgeben. Nach einer großen Runde landet er auf dem Baumwipfel des Nachbargrundstücks. Als sich alles beruhigt hat, folgt ihm der zweite.
RARE, MEDIUM, WELL DONE
Sämtliche Bedienungsanleitungen müssten mal gelesen werden. Auch vom Herd. Der macht meines Erachtens was er will! In der Anleitung sind netterweise die drei Zubereitungsmöglichkeiten von Steak genannt. Rare, medium, well done. Danach die Einschubhöhe von rare, medium, well done. Weiter die Bratzeiten per Kilogramm. Und ausgerechnet Steak wollte ich eigentlich draußen auf dem Grill zubereiten.
KOMMUNIKATION
Der Wagen von Eastlink fährt vor. Das lang ersehnte Modem wird gebracht und in ein paar Minuten ist der Anschluss für`s Internet gemacht. Der nächste Weg ist nach Port Hawkesbury zu Bell für eine SIM-Karte.
Nun nehmen wir wieder am Weltgeschehen teil. War eigentlich ganz schön, mal ohne alles. Aber letztlich fehlen uns die täglichen Informationen des Internet. Vor allem die vom Windfinder, wann ein Lagerfeuer entfacht werden darf, die Öffnungszeiten von IKEA…
Zur Stärkung essen wir bei Tim Hortons ein Turkey Bacon Club Sandwich - fast gemütlich in Sesseln am künstlichen Kaminfeuer.
VOM RICHTIGEN ZEITPUNKT
Abschied von den dunkelroten Wohnzimmerwänden. Wie immer müssen vor dem Streichen die Löcher gespachtelt werden. Die Decke wird weiß, die Wände dunkles Sand. Oder doch helles Sand oder Cappuccino? Nachmittags um 16:30 fällt meine Leistungskurve rapide ab. Ist auch nicht mit einer Cola aufzufangen. Morgen Vormittag ist sicher der richtige Zeitpunkt für den Beginn. Erstmal aufs Sofa und noch bei bisschen planen. Es regnet.
WEATHER’S PRETTY GOOD
Leichter Nieselregen, nebelig, alles ist richtig nass. Da kommt Francis mit dem Boot vorbei, in voller Montur. “Weather’s pretty good!” Also fahren wir kurz 300 m raus zum fischen. Rising tide ist optimal! Also, fast Hochwasser. Die ersten Fische beißen sofort und immer weitere sobald wir die Angel reinhalten. Nur reinhalten und schon sammeln sich unter Wasser eine Menge silbrig glänzender Fische, die sich um den besten Platz am Köder balgen. In wenigen Minuten haben wir zehn kleine Makrelen. Am Strand nehme ich die Fische aus. Die drei Kleinsten lege ich bereit auf den großen glatten Stein an der Uferböschung. Für die Adler. Es schüttet mittlerweile.
FENG SHUI
Ein Besuch bei Kent in der Paint Street ist immer was Besonderes. Diesmal suche ich die Farbe fürs Wohnzimmer aus. Ich entscheide mich für die namens Feng Shui. Die beiden Mädels am Mischpult kichern und versuchen den Begriff auszusprechen. “What the hell is that?” Ich versuche mich in einer kurzen Beschreibung über das Wohlergehen des Menschseins in der fernöstlichen Kultur. So etwas braucht hier keiner!
LIVE IS FULL OF FIRSTS
Heute ist es soweit. Die Boje ist gesetzt. Hat tatsächlich geklappt, mit den beiden Booten und dem zentnerschweren Betonquader, der bei abzuwartender Flut hochgehoben und zur geeigneten Stelle geschippert werden sollte, dann das Seil gekappt. Hier ist Geduld gefragt, ca. 2 Stunden bis die Flut den Betonquader im Wasser schweben ließ.
Dann das Segelboot zu Wasser gelassen und gleich mal ausprobiert, ob alle Seile funktionieren und der Fockroller tut was er soll.
FRIENDS UNITED
Wir sind eine kleine Gruppe Interessierter und besuchen die Ausstellung Friends United nach vorheriger telefonischer Anmeldung. Friends United - Eine Initiative von Rolf Bouman. Heißt, eine Brücke zu schaffen zwischen den Natives und dem Rest der Welt. Eindrucksvoll die extremen Farben der Native Artists. Ebenso die Lebensgeschichte Boumans. Ich finde die Totempfähle mit den in Red Cedar geschnitzten Lebensgeschichten am spannensten. Die Exponate zeigen Motive der Lebenswege der First Nation aus vielen Teilen Kanadas. Absolut sehenswert. Nicht zu vergessen, der Versammlungsraum! Riesiger Tisch, an dem ca 50 Teilnehmer Platz finden. Felle auf den Sesseln, unzählige Elchgeweihe an den Wänden. In Leder gebundene Bücher. Kopfschmuck aus Federn. Geschnitzte Szenen aus Elchschaufeln. Skulpturen, Aquarelle, Acrylbilder, Zeichnungen, alles immer mit vielfältigen Bedeutungen. Und aus farbigem Gras geflochtene Körbchen und Schachteln. Im nächsten Raum ein offener Kamin. Native Artists können für die Dauer der Fertigstellung ihrer Werke auf dem Gelände wohnen und arbeiten. Eine tolle Initiative von Bouman.
TOTEMPFÄHLE - GESCHICHTEN FÜR DIE EWIGKEIT?
Leider nein. Die Pfähle sind der Witterung ausgesetzt und halten in Kanada ca. 100 Jahre. In überlieferten Aussagen haben nur Familienmitglieder das Recht ihre spezifischen Geschichten, die sich in den Pfählen wiederfinden, zu erzählen. Geraten die Geschichten in Vergessenheit sind sie unwiederbringlich verloren.
Die früheren First Nations im Westen Kanadas stellten bereits vor Jahrhunderten Totempfähle her. Die Bearbeitung dauerte mehrere Jahre, obwohl an der Fertigstellung viele Personen beteiligt waren.
Der Totempfahl hat immer eine besondere Aussage, eine individuelle Nachricht und Bedeutung. Er erzählt von Familie, von Zugehörigkeit. Die geschnitzten und bemalten Geschichten werden von unten nach oben gelesen. Raben, Bären, Adler, Fische, Wölfe und Biber sind häufige Darstellungen. Waren die Pfähle fertig gestellt, hieß es für den Auftraggeber ein großes Fest für die Helfer auszurichten und mit Geschenken wie Decken, Holzkisten oder Geld nicht zu geizen!
LACHSE IN DER BUCHT
Haben gerade extremes Hochwasser und extremes Niedrigwasser. Der Höhepunkt dafür soll nächste Woche sein. Der Messpunkt Null misst den niedrigsten Wasserstand eines Jahres. Hat mit der Erdanziehung und dem Mond zu tun.
In diesen Tagen sind Lachse in der Bucht. Wir sehen die großen Wasserkreise, die die Fische nahe an der Oberfläche verursachen. Zum Lachsfischen braucht’s eine Lizenz, da sie nur zu bestimmten Zeiten gefangen werden dürfen. Sollte mal rein zufällig einer an der Angel sein, darf man ihn natürlich essen.
LANDMARK
Segelboote und Fischerboote, die vom Canso in unsere Bucht kommen müssen bei Niedrigwasser genaue Kenntnis der Gewässer haben. Immer wieder gibt es Untiefen, die bei Low Tide nur wenige Zentimeter Wasser führen. Unser Haus und damit verbunden, unsere Garage, besser gesagt unser weißes Garagentor ist von weither auszumachen und dient den “Seefahrern” als Landmarke. Ist die Garage offen, fehlt diese einfache Orientierung und wurde bereits angemerkt. Die brilliante Idee einer Freundin, die Landmarke für die tägliche Gabe eines Fisches, geschlossen zu halten, habe ich noch nicht verfolgt.
MORNING HAS BROKEN
Atlantic Standard Time 7 a.m - Mitteleuropäische Zeit 12:00 Uhr
BRENNHOLZ
Die Kettensäge verstummt, der Baum fällt. Einer der Fichten war bereits seit längerem abgestorben und bot mit seinen weißen störrischen Ästen einen traurigen Anblick. Natur halt. Hält der verwöhnten Stadtnatur nicht stand.
‘S braucht halt eine aufgeräumte Wildnis. Gezähmt, beherrschbar. Außerdem brauchen wir Brennholz. Die Abende sind kalt.
Fallkerbsohle und Fallkerbdach sind im 50 Grad Winkel gesetzt. Bis 1/3tel in den Stamm hinein. Splintschnitte braucht es hier nicht. Nun der Fällschnitt gesetzt. 1/10tel des Stammdurchmessers, ein paar Zentimeter halt oberhalb der Fällsohle. Ein Halteband braucht es auch nicht, da sich der Baum bereits beim Fällschnitt bewegt. “Hau ab”. So der unfachmännische Ruf meines Gatten, der mir schützend beigestanden hat. “Baum fällt” hätte es auch getan und wäre waldmännisch korrekt gewesen. ?
Ich säge, wie im Kurs vor zwei Jahren, lauter dicke Scheiben ab, da wir keine Axt zur weiteren Zerkleinerung haben. Da wird einem zum ersten Mal warm, zum zweiten Mal dann am Kaminfeuer.
WIND AUS NORDWEST
Das Panoramafenster in der Küche lenkt den Blick nach draußen.
Die Wasseroberfläche wird von böigem Wind breit gefächert zu den Inseln getrieben. Wind aus Nordwest. Kalt. Ein strahlender Tag. Ein Hauch rosé ist am Morgenhimmel erkennbar. Ich lasse mich von der Stimmung für einen Moment mitnehmen. Ein Adler zieht ruhig an unserem Grundstück vorbei. Er braucht über die Strecke von einem Grundstück zum übernächsten keinen Flügelschlag.
EINKAUF IN PORT HAWKESBURY
WHYCOCOMAGH, WATMAGCOOK und BADDECK
Rundtour nach Whycocomagh, Kaffee und Kuchen in Farmer’s Daughter. Mittagessen im Red Barn Giftshop and Restaurant, Wagmatcook liegt im Reservat. Wir müssen COVID Pass und Führerschein vorzeigen, dann auch noch Eintrag in eine Liste. Das Übliche. Was uns drinnen erwartet, verschlägt uns die Sprache. Und dann bestellt Walter auf meine Empfehlung auch noch eine Poutine. Das sind Pommes mit Käse darüber und Bratensoße! Unglaublich! Ich hatte ein Lobster Roll and Fried Onion, an kleinem Salat mit Cole Slaw. Die bessere Wahl.
Der integrierte Geschenkeladen hat warme Winterpullover, Socken, Schals, alles aus Merinowolle und jede Menge Krimskrams. Man findet hier auch Geweihe, Untersetzer, Schirmmützen und Silberschmuck. Ich erstehe ein paar Wintersocken.
Weiter nach Baddeck. Friedliche Idylle mit Hafen. Der Bras d’Or Lake liegt traumhaft schön in der Spätnachmittagssonne. Die Strahlen funkeln auf der Wasseroberfläche.
Mittlerweile habe ich den Kamin im Griff. Immer öfter gelingt ein schönes Feuer, auch mit den fetten Stämmen, die uns Terry gebracht hat. Und meine selbstgesägten brennen ganz wunderbar.
AUTOTAUSCH IN HALIFAX
Durch die momentane Knappheit an Mietwagen, musste das Auto am Halifax/Airport getauscht werden. Alles hat gut geklappt. Trotzdem war das ne Menge kleiner Aufgaben, die gelöst werden mussten. Samstag losgefahren nach Stellerton/ The Brick zu IKEA. Vieles kann nicht geliefert werden. Bettwaren nur eingeschränkt. Übernachtung in Dartmouth/ Lake City Hotel. Unschöne Gegend aber günstig. Morgens denken wir, dass wir unten am Hafen Frühstück bekommen könnten. Weit gefehlt! Es wird gejoggt, es werden Stände aufgebaut, irgendein Benefit-Ereignis. Sonntags um zehn ist da absolut nix los. Das 'Two If By Sea Cafè' in der Nähe bietet über ein Fenster zur Straße Kaffee und Croissant an. Bestens. Verzehren wir dann auf Picknickbänken vor der Kirche unter den großen Bäumen. Die Croissants sind außergewöhnlich groß und schwer und haben gefühlt ein Pfund Butter intus. Schmecken super und ich werde daraufhin das Mittagessen ausfallen lassen.
ABENDS BUNDESLIGA
Es ist Bundesliga und hier bekommt man nichts davon mit. Das ist bitter! Da findet Walter auf Youtube glücklicher Weise die Übertragung der Spiele im 10-Minuten-Takt. Ein vietnamesischer Sender macht’s möglich. Dazu der Sprecher in seiner Landessprache. Walter verfolgt über Kopfhörer die spannenden Ergebnisse der Spielzüge. “Weint da jemand?” So mein allzu harmloser Einwurf zum Geschehen von der Couch aus. Nur, um das Geräusch einordnen zu können…
MEN AT WORK
Die Sonne scheint, wir sitzen auf dem Deck. Wohlverdiente Pause. Unsere Handwerker fühlen sich sichtlich wohl als ich mit meinem Kaffeetablett ihre Arbeit unterbreche. MEN AT WORK hat was Magisches. Hier findet sich Genugtuung und Bestätigung für das Leben im Hier und Jetzt. Stolz, Zufriedenheit, Anerkennung mischen sich mit Arbeitshosen und Sicherheitsschuhen. Dazu ein “Great to be done”.
WOMEN AT WORK könnte meine Erfindung werden.
INDIAN SUMMER
Die Färbung der Blätter beginnt in diesem Jahr spät. Um den 7. Oktober waren die ersten leuchtend roten einzelnen Blätter zu sehen. Zehn Tage später begleitet uns das unbeschreibliche Farbspiel auf allen Wegen. Die verschiedenen Gelb-, Ocker-, Orange- Rottöne des Zuckerahorns überbieten sich mit dem restlichen Grün an ein und demselben Baum. Die Nachmittagssonne bringt jeden einzelnen Baum und ganze Anhöhen zum Leuchten. Sehr schön.
WINTERRIZING
Die Schatten werden länger. Die letzten warmen Tage verwöhnen uns. Zeit, die Koffer zu packen. Freuen uns auf zuhause - auf Kinder, Enkel, Verwandte, Freunde und die Gans…